Der Demokratisierungsprozess in Iran

Die Grundgedanken der Demokratie sind in der iranischen Philosophie und Geisteswelt seit der Zeit der Achämeniden, über den Universalgelehrten Pursinâ [Avicenna], dem Reformpolitiker Amir Kabir, die konstitutionelle Revolution 1905 – 1911 [انقلاب مشروطه], dem Historiker und Aufklärer Ahmad Kasravi, bis hin zum Ende der Regierungszeit Mohammad Rezâ Šâh Pahlavis, schon seit langem angelegt. Die Dynamik blieb dabei nicht nur der Theorie verhaftet, sondern bestimmte über 70 Jahre des vergangenen Jahrhunderts, nach dem Ende der absolutistischen Monarchie der türkischen Qajarenherrscher in Iran, bis zur Islamischen Revolution 1979 die Realpolitik und die weitere demokratische Entwicklung Irans.


Die Anfänge der Demokratisierung Irans

Zur Zeit der konstitutionellen Revolution, Anfang des 20. Jahrhunderts, waren die islamischen Geistlichen, die Briten, die Russen und die Aristokraten der türkischen Qajarendynastie, die entschiedensten Gegner der konstitutionellen Revolution und damit die größten Gegner einer Demokratisierung Irans. Premierminister Nasrollah Khan Moshir al Dowleh erklärte im Jahre 1907, „dass Iran nach wie vor eine absolutistische, islamische Monarchie (Mašru’e) [مشروعه] sei, der Šâh alleine entscheide und das gerade gegründete Parlament lediglich Gesetze erarbeiten aber nicht in Kraft setzen könne.“ Das Parlament lehnte die Erklärung des Premierministers ab und am 11. Februar 1907 erklärte der Hofbeamte Mokhber-al Saltaneh, „dass eine konstitutionelle Monarchie und ein Nationalstaat nach europäischem Muster, wie die konstitutionelle Revolution es vorsah, bürgerliche Freiheit und damit auch Religionsfreiheit bedeute. Dies könne aber niemals für Iran gelten, da die freie Wahl der Religion gegen den Islam gerichtet sei. Deshalb könne Iran nur eine islamisch geprägte Monarchie (Mašru’e) und keine konstitutionelle, säkulare Monarchie (Mašrute) [مشروطه پادشاهی] und damit auch kein Nationalstaat europäischen Zuschnitts sein.“

Die unterschiedlichen Auffassungen bezüglich der Staatsform eskalierten und am 31. August 1907 richtete Abbas Agha Tabrizi, im Auftrag des türkischen Qajarenabkömmlings und späteren Premierministers Mohammad Mossadeq, auf den neuen Premierminister Ali Asghar Khan Atabak, der zwischen den unterschiedlichen Strömungen vermitteln wollte, eine Waffe und erschoss ihn beim Verlassen des Parlaments; anschließend erschoss er sich selbst. Die junge Mašrute-Verfassung war am 30.12.1906 von Mozaffaroddin Šâh Qâjâr unterschrieben worden und hatte ursprünglich 51 Paragraphen. Die Abgeordneten und Konstitutionalisten hatten es so eilig gehabt eine neue Verfassung zu kreieren, dass sie in dieser Verfassung nichts über die Rechte des Volkes, die Verpflichtungen der Regierung dem Volk gegenüber und ihre Aufgaben und Aufgabenteilung niedergeschrieben hatten. Diese Verfassung beinhaltete ursprünglich lediglich die Aufgaben beider Parlamente, des Senats und des Volksparlaments [majlese šourâye melli], daher wurde sie anfangs nezâmnâme [نظام نامه], Reglement oder Vorschriften genannt. Später, am 07.10.1907 wurde die Ergänzung zur Verfassung mit 107 Paragraphen einstimmig vom Parlament verabschiedet und vom neuen Herrscher Mohammad Ali Šâh Qâjâr unterschrieben.

Der berühmte Sprachwissenschaftler und von Allahisten ermordete Historiker Ahmad Kasravi [احمد کسروی] ist die beste Quelle, derer sich heute sogar die islamischen Mullahs in Iran bedienen, wenn es um die Geschichte der Mašrutebewegung geht. Sein Werk „Târixe Mašruteye Irân“ [Die Geschichte des Konstitutionalismus in Iran] gilt als Standardwerk zur Geschichte der konstitutionellen Revolution Irans. Kasravi schreibt, warum er sich entschlossen hatte das Buch zu schreiben: Es waren 30 Jahre seit Mašrute vergangen und keiner der Zeitgenossen bemühte sich ein Wort darüber zu schreiben und er bemerkte, dass die Geschehnisse drohten vergessen zu werden, so dass nach einer langen Zeit niemand mehr weiß, was damals passiert war. Seine Forschungen darüber, warum diese Bewegung nicht ganz erfolgreich war, sind bahnbrechend. Dort beschäftigt er sich auch mit der Bekanntgabe der Helden dieser Bewegung, damit die Geschichte der konstitutionellen Revolution nicht verfälscht erzählt wird und nicht behauptet werden kann, dass hinter dieser demokratischen Bewegung fremde Mächte agiert hätten. Die Mühen und die Opfer, die andere Menschen unter permanenter Todesgefahr während der Mašrutezeit erbrachten, die später isoliert und vergessen wurden, sollten hiermit nicht vergessen werden. Er wollte verhindern, dass Fremde diese Geschichte verfälschen, die nur Nutzen für sich daraus ziehen wollen. Er wollte die Geschichte seines Landes selbst aufschreiben, für diejenigen die Iran lieben und nicht zuletzt wegen der Krankheit, an der die meisten Iraner leiden, nämlich die Krankheit, die man „Vergesslichkeit“ nennt.

Die konstitutionelle Revolution sollte die absolutistische Monarchie durch ein parlamentarisches Regierungssystem nach belgischem Vorbild ablösen, in dem das Volk seinen Willen in einem Parlament artikulieren konnte, eine Säkularisierung von Staat und Religion herbeiführen und ein modernes Rechtssystem nach französischem Vorbild einführen. Der türkische Qajarenherrscher Mohammad Ali Šâh Qâjâr und die Royalisten mobilisierten damals die islamischen Mullahs unter der Führung Sheikh Fazlollah Nuri [Šeyx Fazlollâh Nuri] gegen das Parlament. Der Geistliche Sheikh Fazlollah Nuri forderte ein eindeutiges Bekenntnis zur Mašru’e, der islamisch geprägten Monarchie. Er entwarf einen Gesetzesvorschlag, nach dem ein Expertengremium aus fünf Geistlichen alle Gesetzesvorlagen des Parlaments daraufhin überprüfen müsse, ob sie den islamischen Rechtsgrundsätzen entsprächen, andernfalls könne das Expertengremium sie für ungültig erklären. Zudem sollte diese Vorschrift in der Verfassung als unabänderlich festgeschrieben werden, bis zum Erscheinen des verborgenen Imam in Kraft bleiben und durch eine parlamentarische Mehrheit weder aufgehoben, noch modifiziert werden können. Am 15. Juni 1907 stimmte das Parlament zunächst Nuris Vorschlag zu, nachdem dieser drei Tage vorher zugesichert hatte seine verbalen Attacken auf das Parlament einzustellen. Doch die Anhänger der Mašrutebewegung protestierten gegen diesen undemokratischen Verfassungsparagraphen und der permanenten Einmischung islamischer Geistlicher.

Am Kanonenplatz in Teheran hielten die Mullahs dann erneut eine Rede gegen das Parlament und hetzten die Menge gegen die Konstitutionelle Bewegung auf: „Schlaft mit einer Hure, stehlt, tötet, aber geht nicht in die Nähe dieses Parlaments.“ Anhänger der Konstitutionellen Bewegung wurden auf den Straßen angegriffen und beraubt, Zeitungsredaktionen gestürmt und in Brand gesteckt. Ahmad Kasravi schreibt, dass am Dienstag den 17. Dezember 1907 immer mehr Menschen zum Parlamentsgebäude kamen, viele davon mit Waffen. Bis zum Nachmittag waren ca. 2.700 Männer mit ihren eigenen Waffen vor dem Parlament zum Schutz der Parlamentarier erschienen. Die Bediensteten aller öffentlichen Einrichtungen traten in Streik und kamen ebenfalls zum Parlament. Die Šâhanhänger stürzten sich auf einen jungen Mann, Mirza Enayat [Mirzâ Enâyat], den sie als Anhänger der Konstitutionellen Bewegung ausgemacht hatten, und zerstückelten ihn mit den Worten: „Ihr Moslems seid Zeuge beim jüngsten Gericht, dass ich als erster die Augen eines Mašrute-Anhängers herausgerissen habe, um meiner Religion zu folgen“.

Auch in Tabriz war noch am selben Tag ein Aufstand ausgebrochen. Die Aufständischen unterstützten die parlamentarische Bewegung und forderten die Absetzung Mohammad Ali Šâh Qâjârs wegen seines Widerstandes gegen das Parlament in Teheran. Mohammad Ali Šâh Qâjâr fürchtete um seinen Thron. Er hatte gehört, dass die Mašrute-Anhänger ihn absetzen und an seiner Stelle seinen Onkel Zel-al-Soltan [Zellolsoltân] zum Šâh ausrufen lassen wollten. Er rief seine Anhänger auf, die Demonstrationen zu beenden und nach Hause zu gehen. Am 22. Dezember 1907 schrieb Mohammad Ali Šâh Qâjâr auf die letzte Seite eines an das Parlament gesandten Qur’ans: „In dem Chaos der letzten Tage, entstand im Land der Eindruck, dass wir gegen die Verfassung sind. Um diesen Verdacht auszuräumen, und das Vertrauen der Nation zu gewinnen, schwöre ich auf diesen Qur’an, dass ich die konstitutionelle Bewegung und die Verfassung respektieren werde. Jeder, der sich gegen die konstitutionelle Bewegung stellt, wird bestraft. Wenn ich dieses Versprechen brechen sollte, werde ich mich vor Gott zu verantworten haben und meine Schuld eingestehen. “

Dieses Versprechen wird er kurz darauf brechen und diese Lüge wird 1909 zu seinem Sturz führen. Das Parlament hatte sich durchgesetzt und sein Sohn Ahmad Šâh Qâjâr folgte ihm als letzter türkischer Qajarenherrscher auf den Thron. Lediglich fünf ausgesprochene Gegner der Mašrutebewegung, darunter Sheikh Fazlollah Nuri und Mir Hashem Davachi [Mir Hâšem Davâci], wurden wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und gehängt. Die Briten unterstützten während der Konstitutionellen Revolution die Gegner der Demokratisierung Irans, denn sie hatten jahrhundertelang von der Politik der Kapitulations- und Konzessionsrechte der türkischen Qajarenherrscher profitiert. Nun aber hatten sie es nicht mehr mit einem einzigen anti-iranischen Despoten zu tun, sondern mit einem Parlament, indem der Wille des Volkes berücksichtigt werden musste. Zwischen 1919 und 1921 weigerte sich das Parlament, trotz der Zahlung erheblicher Bestechungsgelder der Briten den Anglo-iranischen Vertrag von 1919, der Iran wieder einmal benachteiligen sollte, in Kraft setzen zu lassen. Die Briten scheiterten, an einem dem Grunde nach demokratischen iranischen Parlament. Schon bald wird Šâh Rezâ Pahlavi der Große, der Begründer der iranischen Pahlavidynastie, die türkische Qajarenherrschaft in Iran beenden und den Demokratisierungsprozess fortsetzen. Die durch die Konstitutionelle Revolution erkämpfte Verfassung wird bis auf geringfügige Änderungen bis zur Islamischen Revolution 1979 Bestand haben und dann durch eine islamo-faschistische Verfassung ersetzt werden, die alle Demokratiebestrebungen der Konstitutionellen Revolution zunichte machen wird.

Die Fortsetzung der Demokratisierung Irans in der Pahlavi-Ära

Es war Reza Xân Sardâr Sepah [Oberkommandeur der Streitkräfte], der am 21. März 1924, als Ahmad Šâh Qâjâr sich noch halbherzig an der Macht zu halten suchte, damals noch als Premierminister, seine Vorstellungen über die Zukunft Persiens im Parlament vorstellte. Er schlug vor, dass die Monarchie von einer Republik abgelöst werden sollte, denn die politische Entwicklung in der Türkei, unter Kemal Pascha Atatürk, hatte den Weg auch für Iran vorgezeichnet. Die Mehrheit im Parlament schien diesen Vorschlag, die Monarchie abzuschaffen und in Iran eine Republik auszurufen zu unterstützen, doch das politische Geschick eines Geistlichen, Hassan Modarres, durch Verzögerungstaktik, beleidigende Anschuldigungen und politisches Taktieren, sollte die Mehrheit der Abgeordneten so verunsichern, dass am Ende keine Abstimmung über diese Frage zu Stande kam und die Konstitutionalisten der Respektlosigkeit gegenüber der Geistlichkeit bezichtigt wurden. Die Mullahs befürchteten, dass in einer Republik die Säkularisierung Irans voranschreiten würde, und die Geistlichkeit so an Macht und Einfluss verlieren würde. Dennoch musste Ahmad Šâh Qâjâr abdanken, denn die Geistlichkeit unterstützte Rezâ Xân, mit der einzigen Absicht die Errichtung einer Republik zu verhindern.

Am 6. Dezember 1925 trat eine gewählte verfassungsgebende Versammlung zusammen, die nach mehreren Tagen der Beratung am 12. Dezember 1925 mit 257 von 260 möglichen Stimmen eine Verfassungsänderung beschloss, mit der Rezâ Xân als neues Staatsoberhaupt und seine männlichen Nachkommen in direkter Linie als seine Nachfolger in der Verfassung festgeschrieben wurden. Als Reza Xân zum Šâh gekrönt wurde, weigerte er sich die Krone der türkischen Qajarenherrscher aufzusetzen und es musste eigens für seine Krönung eine neue Krone, die Pahlavi-Krone gefertigt werden.

Als Rezâ Xân 1925 zum Šâh gekrönt wurde, war Iran dem Staatsbankrott nahe. Kourosh Ghani [Kuroš Qani] schreibt in seinem Werk „Iran and the rise of Reza Shah“, dass das Finanzwesen unterentwickelt war und eine nennenswerte industrielle Produktion nicht vorhanden war. Irans Wirtschaft war damals hauptsächlich eine Agrarwirtschaft. Die meisten der zehn Millionen Einwohner ernährten sich von der Landwirtschaft, die als regionale Selbstversorger organisiert waren, die Hälfte davon als landlose Bauern, als Leibeigene der Großgrundbesitzer, berichtet er weiter. 2,5 Millionen Menschen waren Nomaden. Nur zwei Millionen Menschen lebten in Städten. Es gab nur wenige hundert Kilometer ausgebaute Straßen in einem Land, das fünfmal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland ist, kein überregionales Eisenbahnnetz und nur einen einzigen Hafen (Bandar Anzali), der modernem Standard entsprach. In Iran gab es kein modernes Rechtswesen, kein Gesundheitswesen, keine Hochschulen, keine iranische Zentralbank. Straßen hatten keine offiziellen Namen, Häuser keine Hausnummern, und die Menschen, die in ihnen wohnten, waren nirgendwo erfasst.

Šâh Rezâ war König über die Bettler und Barfüßigen geworden, über ein Volk, das aus über 90 % Analphabeten bestand. Er war König eines Landes, das zu den ärmsten Ländern der Welt zählte. Im Grunde gab es nur eine auf ein Mindestmaß beschränkte staatliche Verwaltung. Der alte Feudalstaat der absolutistischen Monarchie der türkischen Qajarenherrscher des 18. und 19. Jahrhunderts hatte aufgehört zu existieren, ohne dass bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tatsächlich ein neuer Staat entstanden wäre. Kourosh Ghani berichtet weiter, dass Iran schwer unter der Fremdherrschaft durch Briten und Russen, an der Besatzung durch ausländische Truppen im Ersten Weltkrieg, an separatistischen Bewegungen in vier der größten und ökonomisch wichtigsten Provinzen und am Versuch der Machtübernahme durch Bolschewiken in den an die Sowjetunion angrenzenden Provinzen litt – so sah Iran der Nachkriegszeit in den 1920iger Jahren aus.

Die noch weitgehend vom Regierungsstil der absolutistischen Monarchie geprägte alte politische Klasse der türkischen Qajarendynastie hatte jämmerlich versagt und nach mehr als zwei Jahrhunderten Fremdherrschaft ein ganzes Volk ins Elend gestürzt. Die Zeit für einen neuen Typus von Politiker, der eine starke Zentralregierung befürwortete und national dachte, schien gekommen und die junge Verfassung der konstitutionellen Revolution schien geradezu dazu prädestiniert zu sein endlich einen neuen, modernen Iran zu schaffen und Rezâ Šâh war der Mann der Stunde.

Rezâ Šâh der Große setzte sein umfassendes Reformprogramm als Voraussetzung zur weiteren Demokratisierung Irans um, führte eine Reform des Rechtssystems nach französischem Vorbild ein, entfernte dabei die Richter mit klerikaler Ausbildung, baute eine Verwaltung auf, begann mit dem Bau der Transiranischen Eisenbahn, als unabdingbare Voraussetzung für die Industrialisierung des Landes, er reformierte das Bildungswesen, führte die Schulpflicht ein und vergab Stipendien für Auslandstudien der besten Schulabgänger des Landes. Er sorgte für den Aufbau der Gesundheitsversorgung, führte Impfungen ein und schuf Mutter–Kind-Einrichtungen für Witwen und Waisen. Die islamischen Mullahs erzählten den Menschen damals, dass durch das injizieren des Impfserums, ihre Kinder mit Dschinns (Dämonen) infiziert würden und viele Eltern der ländlichen Gebiete weigerten sich daraufhin ihre Kinder gegen Pocken impfen zu lassen. Die Abschaffung des Tschadors zur Stärkung der Frauenrechte am 07. Januar 1936 wird die islamischen Mullahs endgültig herausfordern und daraus erwuchs der ewige Groll gegen die Pahlavis. Rezâ Šâh baute Straßen und die Hauptstadt Teheran aus und löste sich weitgehend aus der britischen und russischen Fremdbestimmung. Und genau das war der Grund, weshalb die Alliierten im Zweiten Weltkrieg im Jahre 1941, ihn trotz Irans Erklärung zur Neutralität unter dem Vorwand mit Nazi-Deutschland zu sympathisieren, zur Abdankung und ins Südafrikanische Exil zwangen. Die Briten hatten bereits Pläne wieder die türkischen Qajarenherrscher einzusetzen und auf abenteuerliche Weise wurde der junge Kronprinz Mohammad Rezâ zur Vereidigung ins Parlament geschmuggelt, damit die Briten und Russen seine Ernennung zum neuen Šâh nicht verhindern konnten.

Nach den Krönungsfeierlichkeiten am 26. Oktober 1967 erklärte Šâh Mohammad Rezâ Pahlavi: „Ich danke Gott, dass er mir die Möglichkeit gegeben hat, meinem Land und meinem Volk mit allen meinen Kräften von Nutzen zu sein. Ich bitte Gott, mir die Kraft zu schenken, meinem Volk weiter zu dienen, so wie ich es all die Jahre getan habe. Das einzige Ziel meines Lebens ist auf die Ehre und die Herrlichkeit meines Volkes und meines Landes gerichtet. Ich habe nur einen einzigen Wunsch: die Unabhängigkeit und die Souveränität Irans zu bewahren und das Wohlbefinden des iranischen Volkes zu fördern. Um dieses Ziel zu erreichen, bin ich bereit, mein Leben zu geben.“

Šâh Mohammad Rezâ Pahlavi setzte die Reformbemühungen seines Vaters fort, bekämpfte erfolgreich den Analphabetismus und führte im Rahmen der Weißen Revolution das Frauenwahlrecht ein, stärkte die Rechte der Frauen im Scheidungsrecht und schaffte das Feudalsystems ab, womit die Aufhebung der Leibeigenschaft und die Landreform, in deren Verlauf Ackerland an die nun freien Bauern verteilt wurde, verbunden war und zu erheblichen Protesten des islamischen Klerus und der alten türkischen Elite führte, weil sie selbst riesige Ländereien mit den Menschen darauf besessen hatten. Seine Wirtschaftsprogramme katapultierten Iran in das Industriezeitalter und machten dieses Land zu einer der reichsten Länder der Welt, das 1975 endgültig den Kreis der unterentwickelten Länder verlassen hatte. Das Wachstum war dermaßen rasant, dass die ständig weiter ausgebaute Infrastruktur nicht mit diesem Wirtschaftswachstum mithalten konnte und zuweilen zu Engpässen führte. Zum ersten Mal in der iranischen Geschichte entstand eine wohlhabende Mittelschicht.

Er baute die Armee zu einer der schlagkräftigsten Armeen der Welt aus, begann mit dem Aufbau eines Sozialstaates und vollendete die Demokratisierung der Wirtschaft durch die Gewinnbeteiligung des Arbeitnehmers und die Privatisierung staatlicher Unternehmen. Die aus den Reformprogrammen resultierten Attentate anti-demokratischer, kommunistischer und islamischer Bewegungen auf Šâh Mohammad Rezâ Pahlavi und die Ermordung mehrerer Premierminister nach 1945 zeigen, dass der Grundkonflikt zwischen den beiden staatsrechtlichen Auffassungen der Mašrute mit einem bürgerlichen Staat westlicher Prägung und seinen demokratischen Strukturen und der Mašru’e mit einem von islamischen Geistlichen geleiteten Staat bis heute nicht gelöst werden konnte und auch in Zukunft nicht gelöst werden kann, solange Iran ein islamischer Staat bleibt.

Dennoch sei an dieser Stelle daran erinnert, dass Mohammad Rezâ Pahlavi, genauso wie sein jetziger Sohn, sich erheblich von den Mullahs einschüchtern liess, viele seiner Vorhaben, aufgrund der Gegnerschaft der Mullah,s nicht energisch genug durchsetzte, und anders als sein Vater, die Mullahs nicht aus dem gesellschaftlichen Leben verbannte, und in seiner Zeit den Bau zahlreicher Moscheen ermöglichte. Der Schutz des Islam durch den Kaiser allerdings, war in der Verfassung festgeschrieben, der Kaiser verhielt sich absolut verfassungskonform. Dieselben Moscheen, die zu seinen Lebzeiten, als Hort der islamistischen Agitation fungierten und die später als die Schaltzentralen des islamischen Umsturzes dienten, die die Propaganda Khomeinis unter dem Volk verbreiteten.

Die vor allem von Exiliranern heute vorgetragenen Forderungen nach einem säkularen Staat spiegeln letztlich nur die Diskussion wieder, die bereits zwischen 1906 und 1911 im Rahmen der konstitutionellen Revolution geführt worden war, für die damals viele Menschen ihr Leben gelassen hatten und deren entschiedenste Gegner unter anderem die islamischen Mullahs sind und waren. Ahmad Kasravi war der erste, der damals die politische Klasse Irans auf den Herrschaftsanspruch der iranischen Geistlichkeit aufmerksam machte und sich mit ihm öffentlich auseinandersetzte. In einem 1942 erschienenen Artikel, mit dem Titel Botschaft an die Mullahs von Tabriz, griff Kasravi die Forderungen der Geistlichkeit als unbegründet an. Zudem hielt er die religiösen Gesetze der Sharia für völlig ungeeignet um damit eine komplexe Gesellschaft des 20. Jahrhunderts regieren zu können. Er bezeichnete die schiitisch-islamischen Lehren als Irrlehren und führte ferner aus, dass in Iran eine Konstitutionelle Revolution stattgefunden hätte, um die absolutistische Monarchie durch eine demokratisch legitimierte Regierung zu ersetzen, so dass die Forderungen nach einer Regierung der Geistlichkeit, die sich aus rein religiösen Vorstellungen heraus legitimiere, dazu im Widerspruch stünden. Kasravi hielt es für ausgeschlossen, dass die Iraner diese Regierungsform, für die sie von 1905 bis 1911 so hart gekämpft hatten, durch eine islamische Regierung unter Führung der Geistlichkeit ersetzt sehen wollten.

Das politische System Irans mit der Mašrute-Verfassung

Die Väter der konstitutionellen Revolution wollten das politische System Irans liberalisieren und nach dem Vorbild westlicher Demokratien ausrichten. Sie wussten, dass Persien nur auf diese Weise seine Unabhängigkeit erhalten und nur so zu wirtschaftlicher und sozialer Blüte gelangen konnte. Einige Mullahs waren damals auf der Seite der Konstitutionalisten, doch Ideale wie Demokratie, Toleranz, Gerechtigkeit und persönliche Freiheit hatten zwar als abstrakte Prinzipien einen ehrenvollen Klang solange man sie der Tyrannei, Korruption, Trägheit und dem Verrat der türkischen Qajarenherrscher gegenüberstellte, als sie jedoch ihren Niederschlag in Verfassungsklauseln finden sollten, erschienen sie vielen islamischen Mullahs als Gotteslästerung und als Gefahr für die vorherrschende Stellung des Islam in der iranischen Gesellschaftsordnung. Iran hatte mit der Mašrute-Verfassung den westlichen Grundsatz der parlamentarischen Demokratie mit der persischen monarchischen Tradition verbunden und diese Verfassung war damit eine iranische Verfassung geworden, deren Zuschnitt auf die iranischen Bedürfnisse, seiner Kultur und Geschichte abgestimmt war. Eine Demokratisierung, wie sie ein Land wie Iran benötigt, muss auch in Zukunft, im Wesentlichen aus drei Teilen bestehen, nämlich aus einer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Demokratisierung des Landes.

Die politische Demokratisierung

Die Mašrute-Verfassung hatte den Grundstein der politischen Demokratie gelegt, als eine konstitutionelle Regierungsform mit monarchischer Tradition. Das Parlament bestand aus der Nationalversammlung (Unterhaus) und dem Senat (Oberhaus). Die Nationalversammlung hatte damals 200 Mitglieder, die auf vier Jahre gewählt wurden, dabei war auch vorgeschrieben, dass jeweils ein Abgeordneter der religiösen Minderheiten in das Parlament gewählt werden musste. Die Abgeordneten der Nationalversammlung kamen aus achtundsiebzig Wahlkreisen, in die Iran eingeteilt war. Der Senat bestand aus sechzig Mitgliedern, von denen die Hälfte Teheran und die andere Hälfte die Provinzen vertraten, jeweils die Hälfte beider Gruppen wurde vom Šâh für sechs Jahre ernannt, die andere Hälfte der Senatoren wurde für sechs Jahre gewählt, wovon nach drei Jahren jeweils die Hälfte durch das Los ausschied und neue Senatoren ernannt bzw. in den Senat gewählt wurden.

Alle erlassenen Gesetze mussten sowohl vom Unterhaus als auch vom Oberhaus angenommen werden, außer Gesetze für Steuer- und Budgetfragen, über die nur das Unterhaus zu entscheiden hatte. Bevor ein Gesetzesvorschlag zum Gesetz wurde, benötigte es die Unterschrift des Šâhs. Gemäß der Mašrute-Verfassung hatte der Šâh ein Vetorecht für Gesetzesvorlagen, die den Staatshaushalt betrafen, indem er sie der Nationalversammlung zur Revision zurücksandte. Die Nationalversammlung konnte sich jedoch über das Veto hinwegsetzen und den Šâh zur Unterschrift zwingen, wenn sie mit Dreiviertelmehrheit für die Gesetzesvorlage und damit gegen das Veto stimmte. Der Šâh konnte beide Häuser des Parlaments auflösen, wobei er den Grund dafür zu nennen hatte und derselbe Grund durfte nicht zwei Mal genannt werden.

Der Šâh war dabei verpflichtet sofortige Neuwahlen auszurufen, so dass das Parlament innerhalb von drei Monaten wieder zusammentreten konnte. Der Ministerpräsident und seine Minister, außer dem Minister des Kaiserlichen Hofes, bildeten den Ministerrat oder das Kabinett und erledigten die Regierungsgeschäfte genauso wie es in parlamentarischen Demokratien gehandhabt wird, mit dem Unterschied, dass nicht wie es häufig üblich ist, ein Kabinettsmitglied gleichzeitig Mitglied des Parlaments sein durfte. Sowohl der Ministerpräsident als auch seine vorgeschlagenen Minister, die der Šâh ernennen und absetzen konnte, waren beiden Häusern des Parlaments Rechenschaft schuldig und mussten dort Rede und Antwort stehen. Die Regierungsgeschäfte an sich wurden vom Ministerpräsidenten und den Ministern der verschiedenen Ressorts ausgeübt. Der Šâh war gemäß der Verfassung Oberbefehlshaber der Streitkräfte und konnte Krieg erklären oder Frieden schließen, genau wie in Großbritannien. Er unterzeichnete Ernennungsurkunden für Generalgouverneure, Richter, Botschafter und Armeeoffiziere. Eine sehr wichtige Aufgabe der Krone war es, das Einheits- und Souveränitätsbewusstsein in Persien zu fördern. Die 2500 jährige Monarchie und die damit verbundene nationale Identität waren der Grund, warum Iran als Staat, in das türkische und arabische Besatzer eingefallen waren und sich mit Gewalt eingenistet hatten, 2500 Jahre mit einer so wechselhaften Geschichte zusammengehalten werden konnte.

Verschiedene Versuche ein Parteiensystem einzuführen scheiterten zunächst, so auch die von Moskau finanzierte kommunistische Tude Partei [حزب توده], die auf Grund terroristischer Aktivitäten gegen seine Kaiserliche Hoheit agierten, so auch die von Großbritannien finanzierte Nationale Front (Jebheye Melli) [جبهه ی ملی], die lieber einen Personenkult um den türkischen Qajarenabkömmling Mossadeq betrieb als sich um ein Parteienprogramm zu bemühen und durch unpatriotische Machenschaften eine konstruktive Gesetzgebung verhinderten. Auch verschiedene andere gegründete Parteien scheiterten. Es schien als ob dem Land bis Ende der 1950er Jahre noch die politische Reife für Parteiarbeit fehlte. Später wurde das politische Leben im Rahmen eines zwei Parteiensystems, indem zwei große Volksparteien und eine Anzahl kleinerer Parteien, wie die Nationale Front, in der man stets anders handelte als man sprach, politische Interessengruppen bildeten.

Es waren alle Parteien erlaubt, die nicht im Dienste von Ausländern standen. Die größte Partei war die Nationalpartei, gefolgt von der Volkspartei, die in lebhafter Diskussion zueinander standen und es schien als hätte Iran sein politisches Denken verändert und sich von früheren Schwächen, nämlich eine politische Partei eher mit Persönlichkeiten als mit Parteiprogrammen zu verbinden, überwunden. Diese beiden großen Parteien sind nicht aus dem Volk entstanden, warfen Kritiker dem Šâh immer wieder vor, doch der Šâh unterstützte beide Parteien und beide Parteien machten ihre eigene Politik. In einem Land wie Iran, in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, im Aufbau sämtlicher Strukturen, in der große Teile der Bevölkerung noch immer in alten Traditionen verhaftet waren, dürfte es einleuchtend sein, dass nicht über Nacht moderne Parteien von selbst aus dem Volk entstehen können, geschweige eine vernünftige Parteiarbeit zum Wohle der Nation geleistet werden konnte.

Es gab damals noch viele Menschen, mit einfacher Bildung, die noch zu Zeiten der absolutistischen Monarchie geboren waren oder in der Zeit der Machtergreifung Rezâ Xâns, die die Bedeutung freier Parteien nicht verstanden oder glaubten über parteipolitische Tätigkeiten erhaben zu sein. Im Rahmen der politischen Demokratisierung wurde ein Antikorruptionsgesetz erlassen und auch das sog. „Wo hast du das her-Gesetz“ [قانون از کجا آوردی], das alle Regierungsangehörigen verpflichtete eine detaillierte jährliche Erklärung über die Quellen ihres Vermögens und Einkommens abzugeben. Die politische Demokratie erfordert ein Minimum an Bildung, Reife und Toleranz. Sie erfordert einen positiven, aktiven dynamischen Geist und die Fähigkeit Mehrheitsbeschlüsse zu akzeptieren und ggf. eine konstruktive Opposition zu führen. Dies alles muss erlernt werden und braucht Zeit für Menschen, die nicht in einem demokratischen System aufgewachsen sind und die Situation Irans zeigte, wie schwierig es ist, einen demokratischen Geist in einem Volk aufzubauen und zu erhalten. Wenn eines Tages die Fremdherrschaft der islamischen Torkotâzi-Mullahs ein Ende haben wird, werden die Iraner dieselben Probleme meistern müssen, die die Väter der Mašrute-Verfassung zu lösen versuchten.

Die wirtschaftliche Demokratisierung

In der Pahlavi Ära wurden viele Wirtschaftsprogramme und Infrastruktur Aufbaumaßnahmen durchgeführt, um die wirtschaftliche Produktion zu steigern. Es war aber nicht zielführend nur die wirtschaftliche Produktion zu steigern, sondern eine Demokratisierung auch in der Wirtschaft zu erreichen und auf demokratische Weise diesen Erfolg im Volk gerecht zu verteilen, so dass für alle ein lebenswertes Leben ermöglicht werden kann und jeder für seine Arbeit so bezahlt wird, dass auch er sich etwas leisten kann. In westlichen Demokratien ist dies zum großen Teil gelungen, stößt aber auf Grund der stetig steigenden Staatsverschuldung und der steigenden Belastungen der Sozialsysteme heute an seine Grenzen. Die Steuerlast der arbeitenden Bevölkerungsteile erreicht ein Niveau, wo man nicht mehr von Gerechtigkeit sprechen kann. Der Grundgedanke dieser Umverteilung jedoch ist solange richtig, solange sich für den arbeitenden Menschen Arbeit noch lohnt. Der Staat ist verpflichtet Industrie und Handel im Sinne des öffentlichen Interesses zu lenken. Um ein Land wie Iran, das damals zweistellige Wachstumsraten aufwies erfolgreich zu entwickeln, ist eine wirksame Planung notwendig, um die Infrastruktur dem Wirtschaftswachstum so gut als möglich anzupassen.

Auch die Zulassung von Gewerkschaften war ein Teil der Demokratisierung der Wirtschaft unter dem Šâh gewesen. Im Jahre 1963 war Artikel 4 der Weißen Revolution von Mohammad Rezâ Šâh Pahlavi in Kraft getreten, der als eines der fortschrittlichsten Gesetze der Welt zu sehen ist: Die Unternehmer mussten mit den Vertretern der Arbeitnehmer oder den Gewerkschaften einen Kollektivvertrag abschließen, der diese proportional an der Produktion am Erwirtschafteten und am Defizitabbau beteiligte. Außerdem hatten die Arbeiter ein Recht auf ihren Anteil am Nettogewinn. Allein im Jahre 1976 haben 530.000 Arbeiter öffentlicher und privater Betriebe auf diese Weise ca. 12 Mrd. Rial bezogen (1,2 Mrd. Tuman = 150 Mio. EUR = einem heutigen Wert von etwa 750 Mio. EUR = 1415 EUR pro Arbeiter). Im Zeitraum von 14 Jahren hatte sich die Summe des vom Arbeitnehmer bezogenen Nettogewinnes ver128facht! Jedoch waren diese Anstrengungen nur der Anfang. Die Vorstellung einer demokratischen Gleichheit bezog eine wirtschaftliche Gleichheit mit ein. Dementsprechend mussten die Arbeiter Miteigentümer der Unternehmen werden, die ja auch dank ihrer Arbeit funktionierten. Im August 1975 wurde demnach ein Gesetz erlassen, die alle länger als 5 Jahre existierenden Privatbetriebe verpflichtete, 49% ihrer Aktien an ihre Arbeiter und Angestellten zu verkaufen. Dieser Grundsatz vollendete die Demokratie in der Wirtschaft und sollte zu einer Wende der industriellen, wirtschaftlichen und sozialen Evolution des Iran bis 1978 führen. Iran machte dann die bittere Erfahrung, dass wirtschaftliche Stabilität nicht automatisch politische Stabilität nach sich zieht.

Die soziale Demokratisierung

Der Aufbau des Gesundheitswesens unter Šâh Rezâ dem Großen und Mohammad Rezâ Šâh Pahlavi bildete den Anfang der sozialen Demokratisierung in Iran. Allein in den Jahren 1955 bis 1958 wurden acht Millionen Iraner gegen Pocken geimpft. Im selben Zeitraum wurde die Malaria in Iran ausgerottet. Zum ersten Mal wurden Suchtkliniken für Drogensüchtige gebaut und der Mohnanbau zur Herstellung von Opium drastisch reduziert. Es wurden Waisenhäuser errichtet und zum ersten Mal wurden Leprakranke behandelt, um die sich die islamischen Mullahs nie gekümmert hatten, die sie ausgegrenzt, ihrem Schicksal überlassen hatten und denen bis zur Pahlavi Ära allenfalls die Hilfe, Versorgung und Zuwendung christlicher Missionsschwestern aus den USA zuteil wurden, die sich seit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts der kranken Menschen annahmen. Viele Krankheiten damals, wurden über verunreinigtes Trinkwasser übertragen und daher hatte man im ganzen Land moderne Wasseraufbereitungsanlagen mit den neuesten Technologien installiert. Die Bettler wurden zu hunderten eingesammelt und erhielten auf Kosten des Staates eine Berufsausbildung. Die besten Schulabgänger erhielten Stipendien für Auslandsstudien, um auch sozial schwächeren ein Auslandstudium zu ermöglichen, deren Potential zu nutzen und damit eine soziale Angleichung in der iranischen Gesellschaft zu schaffen. Die Arbeitsbedingungen in den Fabriken wurden vom Staat überwacht und viele soziale Einrichtungen wurden gegründet. 1978 dann, waren 33% der Iraner bereits krankenversichert. Die Familien von 8,3 Mio. Iranern hatten eine Lebensversicherung. Das Lehrpersonal wurde zwischen 1973 und 1978 um 650.000 Lehrkräfte erhöht. 7,4 Mio. Iraner hatten im selben Zeitraum zusätzlich lesen und schreiben gelernt. Das Pro-Kopf Einkommen hatte sich von 1963 bis 1978 ver8facht. Das Land erlebte einen gigantischen Aufbruch sozialer Demokratisierung.

Fazit

Die Errichtung eines echten demokratischen Staatswesens ist ein langwieriger und schwieriger Prozess, denn sie erfordert politische Erziehung und psychologische Vorbereitung, sie erfordert eine besondere Einstellung zu moralischen Werten und gesellschaftlichen Pflichten und eine Gewöhnung an Zusammenarbeit und Kompromissbereitschaft. Manche verwechseln das Wort Demokratie mit der Diktatur des Proletariats, in dem das Volk nur geringen bis gar keinen Einfluss auf die Handlungsweise der Regierenden in diesen Volksdemokratien hat. Der griechische Philosoph Aristoteles zählte die Demokratie, deren Grundgedanken einst in den unter persischer Herrschaft stehenden blühenden Küstenmetropolen Milet und Ephesus in Kleinasien entstanden ist, zu einer der drei „entarteten“ Verfassungen, in denen die Regierenden nur ihrem Eigennutz dienen. So beschreibt er die Demokratie als eine Herrschaft der vielen Freien und Armen zu Lasten der Tüchtigen und Wohlhabenden, da diese aufgrund ihrer Mehrheit die Politik bestimmen. Manche Politikwissenschaftler heute kritisieren die Demokratien, weil sie zu wenig politische Stabilität aufweisen. Häufig wechselnde Regierungen verändern schnell den institutionellen und rechtlichen Rahmen und das wirkt sich negativ auf das Wirtschaftswachstum aus, da ökonomische Investitionen einen kalkulierbaren politischen Rahmen bevorzugen. Manche politische Analysen kommen deshalb zu dem Schluss, dass Demokratie wie wir sie im Westen kennen, für die ökonomische Entwicklung weniger entwickelter Länder mit raschem Wirtschaftswachstum gänzlich ungeeignet ist. Die verfassungsmäßige Bestimmung der konstitutionellen Monarchie in Iran, die in der Mašrute Verfassung festgeschrieben war, wirkte genau dem entgegen.

Die politischen Parteien überbieten sich in Demokratien im Wahlkampf gerne mit Versprechungen, um die Stimmen der Wählenden zu gewinnen. Überzogene Versprechungen können jedoch selten umgesetzt werden und je mehr versprochen wird umso weniger wird gehalten. Hans Vorländer schreibt dazu in „Informationen zur politischen Bildung“ im Heft 284 aus dem Jahre 2004 folgendes: „Die Demokratie steht so immer in der Gefahr, sich selbst zu überfordern, die Bürgerinnen und Bürger zu enttäuschen und deshalb Vertrauen und Zustimmung zu verlieren.“

Šâh Mohammad Rezâ Pahlavi schrieb 1960 in seinem Buch „Mission for my Country“: „Früher glaubten die Menschen, dass politische Freiheit und Gleichheit zu einer Befriedigung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bedürfnisse führt. Politische Freiheit hat jedoch bei wirtschaftlicher Not nur wenig Bedeutung. Es ist ein politisches Entwicklungsprogramm notwendig, das der wirtschaftlichen Entwicklung angepasst ist.“

Die Väter der Mašrute-Verfassung von 1905 – 1911 waren prinzipiell auf dem richtigen Weg, indem sie die Demokratie mit der persisch-monarchischen Tradition verbunden hatten. Sie ermöglichte die wirtschaftliche, politische, und soziale Entwicklung des Landes und war die erste demokratische Verfassung im Nahen Osten. Warum die Mašrute-Verfassung letztlich versagt hat, lag vor allem daran, dass die Konstitutionalisten sich dem Druck der Mullahs beugten und in der Verfassung festschrieben, dass Iran ein islamischer Staat sei. Mit dieser Verfassungsklausel wurde in Wahrheit sowohl die Religionsfreiheit, als auch die politische Freiheit ausgeschlossen und prinzipiell konnten schon damals Gesetze, die dem Islam widersprachen, weder vom Parlament verabschiedet noch vom Šâh unterschrieben werden. Unter Mohammad Reza Pahlavi war daher auch offene Kritik am Islam verboten, da sich eine solche Kritik gegen die Verfassung richtete. Insbesondere die unislamischen Gesetze, wie die Stärkung der Frauenrechte, die Abschaffung des Tschadors sowie die Gründung von Parteien sind und waren unislamisch. Ayatollah Khomeini liess daran keinen Zweifel und schrieb in der Präambel der Verfassung der Islamischen Republik: „Der islamische Staat geht nicht aus der Hegemonie von Gruppen oder Individuen hervor, sondern er ist einzig und allein die Umsetzung des politischen Ideals eines in Denkweise und Ideologie gleich ausgerichteten Volkes, mit dem letztendlichen Ziel, den Weg zu Gott hin zu ebnen.“

Wir erinnern uns kurz zurück als am 11. Februar 1907 der Hofbeamte Mokhber-al Saltaneh erklärte, „dass eine konstitutionelle Monarchie und ein Nationalstaat nach europäischem Muster wie die konstitutionelle Revolution es vorsah, bürgerliche Freiheit und damit auch Religionsfreiheit bedeute. Dies könne aber niemals für Iran gelten, da die freie Wahl der Religion gegen den Islam gerichtet sei. Deshalb könne Iran nur eine islamisch geprägte Monarchie (Mašru’e) und keine konstitutionelle, säkulare Monarchie (Mašrute) und damit auch kein Nationalstaat europäischen Zuschnitts entsprechen.“ Er sagte damit damals schon, wo der Islam herrscht, gibt es keine persönliche Freiheit und damit auch keine Religionsfreiheit, diese Aussage des Hofbeamten hat bis heute nicht an Gültigkeit verloren.

Der Grundkonflikt zwischen den beiden staatsrechtlichen Auffassungen der Mašrute mit einem bürgerlichen Staat westlicher Prägung als konstitutionelle Monarchie und seinen demokratischen Strukturen und der Mašru’e mit einem von islamischen Geistlichen geleiteten Staat, heute dem Velâyate Faqih [ولایت فقیه], konnte mit der Mašrute Verfassung damals nicht gelöst werden und heute diskutieren die Iraner im Exil genau dieselben Fragen wie ihre Großväter und Urgroßväter damals, als man die Mašrute-Verfassung niederschrieb.

Man wird eines Tages einsehen, dass nur die Aufnahme der Verfassungsklausel „Iran wird nie wieder ein islamischer Staat werden“ diesen Konflikt radikal lösen kann und nur diese Verfassungsklausel wird dem Bürger politische Freiheit und Religionsfreiheit garantieren. Heute ist diese Verfassungsklausel, die damals auf Druck der islamischen Mullahs festgeschrieben werden musste, nämlich dass Iran ein islamischer Staat sei, Wirklichkeit geworden. Hoffentlich hat man aus der Geschichte gelernt und hoffentlich werden sich die Iraner dann an die Mašrutezeit zurückerinnern, wenn die Mullahs eines Tages beseitigt sind und dieselben Fragen gestellt und diskutiert werden wie damals. Ahmad Kasravi schrieb vor 70 Jahren: „Das iranische Volk schuldet den Mullahs und dem Klerus eine islamische Herrschaft“. Er wusste um die Religiösität und Dummheit der Iraner, die auf Grund ihres Fanatismus eines Tages die Kleriker an die Macht bringen würden.

Hoffentlich werden die Iraner eines Tages von der Krankheit, von der die meisten Iraner befallen sind geheilt sein, von der Krankheit, die man „Vergesslichkeit“ nennt.

[Quellen: Ahmad Kasravi „Târixe Mašruteye Irân“, (Die Geschichte des Konstitutionalismus in Iran); Kourosh Ghani „Iran and the rise of Reza Shah“; Hans Vorländer „Informationen zur politischen Bildung“ Heft 284 2004;  Šâh Mohammad Rezâ Pahlavi „Mission for my Country“; Nūrallāh Dānišwar AlawīTarīh-e mašrūta-e Īran wa gunbiš-e watanparastān-e Isfahān wa Bahtīyārī“ Tehran 1956; Gholam Reza Afkhami „The life and times of the Shah“ 2009]

11 Gedanken zu „Der Demokratisierungsprozess in Iran

  1. Meinen größten Dank für diesen sehr informativen Artikel! Deprimierend, dass islamische Staaten anscheinend nur die Wahl haben zwischen autoritären Regimes (also light-Diktaturen), sei es als Monarchie oder als sozialistische Einparteiendiktatur, oder aber als totalitäre islamistische Terrordiktaturen. Viele Ägypter und Libyer dürften sich schon jetzt die Zeit zurückwünschen, in denen sie ’nur‘ von raffgierigen Sozialisten mit staatlich kontrollierter Scheindemokratie regiert wurden. Mittelfristig wird letzteres Deutschlands Zukunft sein, und in gewisser Weise könnte man den Jetztzustand sogar so interpretieren, während die Machtergreifung eines islamistischen Regimes bei brutaler Vernichtung jeglichen Widerstands durch ethnische Säuberungen im Namen des barmherzigen Allah wohl (hoffentlich) erst in der zweiten Jahrhunderthälfte stattfinden wird. Mit etwas Glück muss ich dies dann nicht mehr miterleben – obwohl es sicher spannend wäre, herauszufinden, was dann mit den islamophilen Gutesten der Guten passieren wird. Vielleicht darf man aber trotzdem die Hoffnung auf einen Umschwung nicht gänzlich aufgeben. Viele Prognosen der vergangenen Jahrzehnte traten dann doch nicht auf – andere dagegen schon…

    • Eine kleine Korrektur habe ich schon, denn eine Monarchie ist keine Light Diktatur, genau genommen hat eine parlamentarische Monarchie wie wir sie in Iran hatten und auch verschiedene europaeische Staaten heute noch haben mit einer Diktatur nichts zu tun. Gott bewahre mein Land vor der Demokratie!!!!!!

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