Artabanos II [Artabân/Ardavân II] oder Arsakes VIII
Nachdem Phraates II im Kampf gegen die Skythen getötet wurde, wurde Artabanos II, der ein Greis und der dritte Sohn von Phriapatios [Friyâpet/Feriyâpet] (Arsakes IV) war, zum König gewählt. Justinus schreibt im Buch XLII, Kapitel 2, dass dieser König der Onkel von Phraates II war. Justinus und Gutschimd schreiben: „Artabanos II wurde durch Megisthanes [Mehestân], der Rat des Adels und der Prinzen, wegen der besonderen Lage in der sich das Reich befand, zum König ernannt. Die Skythen hatten sehr viel Unheil über das Land gebracht und bis auf eine Gruppe, die sich in Drangiana (später Sekestân/Sistân) niederließ, kehrten sie wieder zurück“.
Die politische Lage des Parther Reiches hatte zu dieser Zeit sehr unter den Skythen, die im Reich wüteten, gelitten und war sehr schwach geworden. Auf der anderen Seite regierte Euhemerus [Ha’u Marta] mit eiserner Hand im Zweistromland, sodass die Bewohner Babyloniens die Herrschaft der Parther hassten. Hätten die Seleukiden ihre inneren Kriege beigelegt und sich geeint, hätten sie doch trotz ihrer Schwäche die parthische Herrschaft vernichten können, aber sie waren zu sehr mit ihren egoistischen Kriegen untereinander beschäftigt.
Wie berichtet, ließ Phraates II einen gut aussehenden Mann als sein Stellvertreter in seiner Abwesenheit in Babylonien regieren. Nach dem Tod von Phraates II erklärte Euhemerus sich für unabhängig und ernannte sich zum König von Babylonien. Seine Tyrannei wurde ihm zum Verhängnis, indem die Bewohner von Seleukia, die seine Unterdrückung im Zweistromland satt hatten, in einem Aufstand Euhemerus verhafteten und ihn dermaßen folterten, dass er an den Folgen der Folter starb. Sie bekamen aber Angst vor dem parthischen König und schickten eine Delegation der Bewohner von Seleukia und baten König Artabanos II um Verzeihung. Gutschmid schreibt auf S. 121: „Artabanos wurde sehr wütend darüber und antwortete den Gesandten, er werde alle Seleukenern die Augen ausstechen lassen“. Aber König Artabanos II wurde dann im Krieg gegen Tocharer getötet.
Die Invasion der Tocharer in den Iran
Dr. Mohammad Javâd Maškur schreibt in seinem Buch Irân dar ahde bâstân [Iran in der antiken Zeit] auf den Seiten 325 – 327: „Die Tocharer waren skythische Stämme, die auf der anderen Seite des Syrdarja Flusses, das heute das Ferghanatal [darreye Farqâne] genannt wird, lebten. Der griechische Geograph Claudius Ptolemäus nannte sie Tehaguroi und in den chinesischen Quellen wurden sie Togara genannt. Wie darüber berichtet, war die Invasion der Skythen und Tocharer in den Iran aufgrund der Invasion und des Drucks der Mongolen in ihre Stammländer die Ursache. Nachdem die Mongolen durch den chinesischen Imperator im Jahr 214 v. Chr. aus China verjagt wurden, teilten sich die Mongolen in zwei große Stämme und jeder Stamm suchte für sich ein neues Land:
1- Der Stamm Dunkhu im Osten der Mongolei
2- Der Stamm Hun Nu, der der größte Stamm war und später uns als Hunnen bekannt wurde.
Zwischen den Jahren 209 bis 174 v. Chr. schaffte es der Khan des Stammes Hun Nu den Khan des Stammes Dunkhu zu unterwerfen und dann mit seinem Stamm die Yuezhi Stämme zu vertreiben und die ganze Mongolei unter seine Herrschaft zu bringen und gründete die Herrschaft Hun Nu, die von der Mandschurei bis nach Kirgisistan und von der chinesischen Mauer bis nach Russland ausgedehnt war. Durch den Druck der Hunnen (Hun Nu) mussten dann die Yuezhi Stämme, die aus Hirten bestanden, nach Westen ziehen, denn sie hatten ihr Stammland mit Häusern und Weideland verloren. Die Yuezhi wiederum wurden in zwei Zweige geteilt, der größere Zweig ging dann nach Südosten und verjagte die Bewohner, die auf beiden Seiten der Flüsse Amudarja und Syrdarja lebten. Diese Bewohner waren die Stämme der Skythen, die als Massageten, Derbik und Dahi bekannt sind. Nachdem die Yuezhi diese Stämme verjagt hatten, mussten die Skythen aufgrund Yuezhis Drucks in die westlichen Gebiete und Länder des Parther Reiches invadieren, um neue Weideländer zu finden.
Ab hier fangen die Bewegungen der skythischen Stämme und die Vermischung der Yuezhi und Skythen Stämme untereinander an und ihre Invasion und Völkerwanderung in die bebauten Gebiete und Länder Mittelasiens nahmen ihren Lauf. Glücklicherweise konnte die starke Parther Herrschaft ständig diese Stämme in Schach halten und auch durch Kriege verhindern, dass der große Tsunami dieser Völker die Zivilisation im Mittleren-Osten der damaligen Zeit vernichtet“. Während der Zeit Artabanos II schafften es die Skythen in das parthische Reich einzudringen, Tabaristan [Tapurestân; heutige Provinz Masanderan] und Transoxanien zu besetzen, und von dort aus teilten sie sich in zwei Gruppen. Eine Gruppe ging nach Westen, in das nördlich der Zentralwüste Irans gelegene Gebiet und die andere Gruppe ging nach Süden, d. h., in den östlichen Teil Irans. Die erste Gruppe attackierte Hyrkania und die Stadt Komicena, vermutlich haben sie die Stadt Hekatompylos [Sad Darvâze, heute im Gebiet zwischen der Dâmqân und Šâhrud in Iran], die wieder aufgebaut worden war, geplündert und zerstört. Tarn schreibt in seinem Buch Parthia, auf der Seite 583: „Artabanos II kämpfte mit äußerster Tapferkeit und trotz seines hohen Alters gegen die Skythen und schaffte es, einen Teil Hyrkaniens zu befreien, aber eine große Anzahl der Aggressoren ging nach Süden in Richtung Herat, an den Hamun See [Daryâceye Hâmun] und besetzten die Satrapie Drangianen (heute Sistân) [Zarangiyân] und gründeten im Gebiet Unter-Hilmend [Helmand Fluss] ihre Herrschaft, die später nach ihnen Sakestân (Sistân) genannt wurde. Später unternahmen diese Skythen in Indien Eroberungskriege und besetzten den Norden Indiens und gründeten die Indo-Skythische Herrschaft“. Auch die Tocharer konnten die Griechisch-Baktrische Herrschaft stürzen und statt ihrer die Nachbarn der Arsakiden werden.
Der Krieg Artabanos II gegen die Tocharer
Nachdem die Skythen in der Zeit Phraates II in Iran gewütet, geplündert und ihn getötet hatten, kehrten sie wieder zurück und lebten einigermaßen in Frieden mit Artabanos II. Aber, diesmal waren es die Tocharer, die aus dem Osten in den Iran eingefallen waren. Gnaeus Pompeius Trogus in seinem Buch Historiae Philippicae (Buch XLII), Kapitel 2, Hassan Pirnia in seinem Buch Der antike Iran [Irâne Bâstân], Band 2, S. 2258 und Rawlinson in seinem Buch, S. 114 – 116 schreiben: „Um die Invasion der Tocharer in den Iran zu verhindern, rief Artabanos II den Statthalter Euhemerus zur Hifle; aber weil die Stadt Messenis, die zwischen Babylon und dem Persischen Golf lag, gegen Euhemerus Aufstand leistete, konnte Euhemerus keine Hilfstruppen dem König schicken. Justinus schreibt in seinem Buch XLII, Kapitel 2, dass Artabanos II dann alleine in den Krieg gegen Tochara zog und in diesem Krieg wurde er am Arm verwundet und nach einiger Zeit im hohen Alter von 90 Jahren starb er an den Folgen der Verwundung, im Jahr 123 v. Chr.“.
Mithridates II [Mehrdâd II] oder Arsakes IX
Nach Artabanos II bestieg sein Sohn Mithridates II den Thron im Jahr 124 oder 123 v. Chr. Anscheinend ist Mithridates II der erste Arsakiden König, der sich offiziell Šâhanšâh [König der Könige] genannt hatte, und diesen Titel auf seine Münzen prägen ließ. Von ihm gibt es eine große Anzahl an Münzen und diese große Menge an Münzen zeigt, dass zu seiner Zeit der Iran glorreiche und glanzvolle Tage hatte. Auf einigen der Münzen hat Mithridates auf dem Haupt einen langen Hut, dessen Rand mit verschiedenen Juwelen verziert ist und in der Mitte ein Stern zu sehen ist. Die Art Hut war damals sehr weit verbreitet und die Mehrheit der Arsakiden Könige und einige der Edessa Könige des Osrhoene Reiches, namens Abgar/Abgarus, auch die elymaischen und indischen Könige, auch Artaxerxes I [Ardašir Pâpakân], der erste König der Sassaniden Dynastie verwendeten diesen Hut. Rawlinson schreibt in seinem Buch Parthia, S. 130: „Das Antlitz Mithridates II auf seinen Münzen gestaltet sich so: Er hat große Augen und eine römische Nase und auf seinem Haupt ist ein Hut aus Perlen, genäht, mit einer Halbkrone in Form der Sonnenstrahlen. Seine Titel auf den Münzen lauten „Theopator“ (Sohn Gottes) und „Nicator“ (Sieger)“. Auf anderen gefundenen Münzen trägt er den Titel „Arasaces Theos, Euergetes Epiphanes, Philhellen“ (Arsakes, der große Herrscher, der Gnädige und Freund der Griechen). Justinus schreibt in seinem Buch XLII, Kapitel 2: „Ihm haben seine Taten den Beinamen „der Große“ eingebracht; denn er hat den Ruhm seiner Eltern, vom Wetteifer um die Tapferkeit entflammt, durch die Größe seines Mutes übertroffen. Er hat viele Kriege mit den Nachbarn mit großer Tapferkeit geführt und viele Völker dem Königreich der Parther hinzugefügt. Aber auch gegen die Skythen hat er mehrfach erfolgreich gekämpft, und ist der Rächer gewesen für das Unrecht, das seine Eltern erlitten haben“. Justinus schreibt in seinem Buch XLII, Kapitel 2: “Er erteilte den Skythen und Tocharern eine derbe Niederlage und vertrieb sie aus dem Lande und bereinigte somit die Schande seiner Vorfahren, und er eroberte die verlorengegangenen Länder und Gebiete Irans wieder“. Wie wir gleich berichten werden, konnte Mithridates II mit den Skythen wieder in Ruhe und Frieden leben und festigte ganz souverän die östlichen Grenzen des Reiches; er hatte es geschafft die eingedrungenen Turkvölker aus dem Gebiet Syrdarja zu vertreiben und bis zum westlichen Teil des Himalaya Gebirges, im heutigen Tadschikistan zu gelangen, und die Sicherheit der östlichen Gebiete und Grenzen des Reiches auf den weisesten Weg zu schützen.
Die Wanderungen der Skythen, wegen der großen Invasion und des Druckes der Turkvölker in ihrem Gebiet, verursachte sehr große Schwierigkeiten für das Parther Reich, sodass der Plan Mithridates I, der vorhatte die europäischen Aggressoren aus dem Achämenidischen Reich zu vertreiben, nicht gänzlich aufging, da die Invasion der Skythen ins Reich der Hauptgrund dafür war. Mithridates II war ein sehr weiser, kluger und gnädiger König, der von 124 oder 123 v. Chr. bis 76 v. Chr. für 48 Jahre geherrscht hat. Er baute die Macht der Armee des Parther Reiches auf, in einer bemerkenswert mächtigen Art und brachte dem Iran seinen Glanz wieder. Wir können ihn wegen seiner Weisheit, seines Humanismus, seines Edelmuts und seinen Fähigkeiten mit Darius dem Großen vergleichen.
[Quellen: Ferdowsi, Šâhnâme; Mas’udi, Attanbih Val-Ašrâf (at-tanbīh wa-l-ašrāf); Bâbâ Reyhân Biruni, al-Athar al-baqiya an al-qurun al-chaliya; Hasan Taqizâde, Bist Maqâle (Zwanzig Artikel); Dr. Amir Hoseyn Xonji, Irânzamin; Malcolm A. R. Colledge, Die politische und gesellschaftliche Geschichte der Parther, Arsakiden oder der antiken Pahlavi Dynastie; Saint Martin, Paris 1850, Fragments d’une Histoire des Arsacides; Saint Martin, Paris 1938, Recherches Sur L’histoire Et La Géographie De La Mésène Et De La Characène; Abdüllatif Suphi Paşa 1862, İbretlerin Eki; George Rawlinson, New York 1873 The sixth great Oriental monarchy; or, The geography, history, & antiquities of Parthia; George Rawlinson, New York 1893, Parthia; Hermann Alfred Freiherr von Gutschmid, 1888, Geschichte Irans und seiner Nachbarländer von Alexander dem Großen bis zum Untergang der Arsakiden; Neilson Carel Debevoise, Chicago 1939, History of Parthia; Malcolm A. R. College, London 1967 The Parthians; Strabon Buch XI (Kleinasien); Josef Markwart, Eranshahr; Richard Nelson Frye, The Heritage of Persia; Roland G. Kent, 1953, Old Persian; Bouchon, choix des historiens Grecs, Paris 1744; Arrianus Flavius; Marcus Iunianus Iustinus; Tarn, Parthia; Leon Diakonos, Arsakiden; Strabon; Posidonius von Rhodos; N. Debevoise, A Political History of Parthia; William James Durant, Ancient Greece [Die Geschichte des antiken Griechenlands]; Hassan Pirnia, Irâne Bâstân [Der antike Iran]; Diodorus; E’temâdos Saltane, Târixe Aškân [Die Geschichte der Arsakiden]; Sir Percy Molesworth Sykes, A History of Persia; Dr. Mohammad Javâd Maškur, Irân dar ahde bâstân; Isidoros von Charax, Mansiones Parthicae [Parthische Wegstationen], Das Parther Reich mit seinen Provinzen (Gebieten); Michail M Diakonov, Arsakiden; Ghirshman, L’Iran et la migration des Indo-Aryens et des Iraniens; Gnaeus Pompeius Trogus Historiae Philippicae (Buch XLII), Kapitel 2; Plutarch Buch Lukullus; Plutarch Buch Sulla]
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