Nouruz, das Fest der Liebe

Nouruz („ein neuer Tag“) ist ein zusammengesetztes Wort aus den Wörtern nou für „Neu“ und ruz für „Tag“. Nouruz ist der erste Tag des iranischen Kalenderjahres xoršidi („Sonnenkalender“). Die Wurzel des Wortes stammt aus der Pahlavi Sprache des antiken Persiens; außer nou ruz sind auch folgende Schreibweisen nouk ruc, nouk ruz oder nouk ruž anzutreffen. Die Geschichtswissenschaftler sind über den Ursprung von Nouruz unterschiedlicher Meinung. Im antiken Iran feierten bereits arische Stämme auf dem Iran-Plateau, die Feierlichkeit Nouruz und Mehregân.

Nouruz ist das Fest, mit dem die Frühlings- und Sommerzeit anfängt und Mehregân ist das Fest zur Ankündigung des Herbstes und Winters. Diese Feierlichkeiten werden sehr aufwendig gefeiert. Heute feiert man Nouruz in folgenden Ländern: Iran, Afghanistan, Tadschikistan, Usbekistan, Kirgisistan, Dagestan, Armenien, Turkmenistan, die Republik Aserbeidschan, im Norden Indiens, Pakistan, dem Westen Chinas, der Türkei, Irak und Syrien.

Ašu Zartošt

Einige Geschichtswissenschaftler sind der Meinung, dass die Nouruz Feierlichkeiten in der Antike 30 Tage andauerten; einige wiederum behaupten, dass die Feierlichkeiten sich auf fünf Tage beschränkten, und am 6. Tag des Monats „Farvardin“ [1. Monat des iranischen Sonnenjahres vom 21. März bis 20. April] feierte man den Geburtstag von „Ašu Zartošt“ (dem erhabenen Zarathustra). Heute wird bei den Iranern ungeachtet der Religionszugehörigkeit immer noch der Geburtstag Zarathustras gefeiert. Nach Zarathustras Glauben ist Nouruz das siebte und damit das heiligste Fest der sieben Feierlichkeiten; denn Nouruz und die anderen Feste stehen für die sieben erhabenen Amšâspandân („die sechs Unsterblichen“), die Ahurâ Mazdâ („dem Allmächtigen“) bei der Schöpfung behilflich waren und die wesentlichen Eigenschaften Ahurâ Mazdâs darstellen; der siebte Unsterbliche ist Ahurâ Mazdâ selbst .

Die Nouruz Feierlichkeit nach der Islamisierung:

Die Iraner spielten eine sehr große und wichtige Rolle am Hofe des Kalifats der Abbasiden. Die Kalifen versuchten die Iraner immer zufrieden zu stellen, denn sie waren unfähig ohne ihr Können und ohne ihre Kenntnisse einen Staat zu führen; so wurden die Sitten und Gebräuche der Iraner an ihrem Hofe gängig. Die Kalifen der Abbasiden feierten bis zum Kalifen Al-Mutawakkil ‚alā ‚llāh die Feste wie Nouruz, Mehregân und Sade, wie sie am Hofe der Sassaniden Könige vor der Islamisierung gefeiert wurden.

Die Iraner, die am Hofe der Abbasiden wichtige Ämter inne hatten, spielten eine wichtige Rolle bei der Gängigkeit der iranischen Feste, Traditionen, Sitten und Feierlichkeiten. Diese waren Wesire (Dasturân) [دستوران], Emire (Mirân) [میران], hohe Staatsbeamte (Darbâriyân) [درباریان], Militärs ranghoher Offiziere (Afsarân) [افسران], und sogar Großbauern (Dehgânân) [دهگانان]! Hierzu zählt auch der Barmakiyân Stamm, der am Hofe Hârunorrašid Gebräuche offiziell verbreitete. Im Herrschaftsgebiet der Abbasiden Dynastie waren die größten Gruppen die Iraner, die sich durch Zivilisation und Wissen über Bürokratie auszeichneten. Die Abbasiden Kalifen nutzten die Gebräuche, Sitten und Traditionen, weil sie selbst kaum eine ähnliche Kultur aufweisen konnten. Während die Abbasiden das Talent der Iraner nutzten, wahrten die Iraner ihre Kultur.

Abbasiden Hof

Die Nouruz Feierlichkeiten bei den Christen:

Die Urchristen, die zur Sassaniden Epoche vor der Verfolgung durch den römischen Kaiser flüchteten und in Iran Asyl fanden, übernahmen einige persische Traditionen. Noch heute gedenken sie an ihre Verstorbenen am Karfreitag. In Iran werden besonders an Cahâršanbe Suri der Seelen der Verstorbenen gedacht. Das Osterfeuer, das angezündet wird, hat seine Wurzel in Cahâršanbe Suri; ebenso kommen die bunt bemalten Eier aus der Tradition der Iraner. Die Christen praktizieren bis heute die iranischen Traditionen, ohne genau zu wissen, woher eigentlich ihre Gebräuche der Osterfeierlichkeiten stammen. Auch das Frühjahrsputzen ist eine Sitte aus dem Iran. Das Frühjahrsputzen einige Tage vor Nouruz ist ein Muss für alle Iraner, da nach Ostern alles Alte gegen Neues ersetzt wird. Die Christen in Iran nennen bis heute die Osterfeierlichkeit Âyine Pâk („Das Fest der Reinheit“) [آیین پاک].

Osterfeierlichkeit in der griechisch-orthodoxen Kirche in Iran

Wie wird Nouruz gefeiert?

In der antiken Zeit wurden ca. 25 Tage vor dem Nouruz Fest die Samen der sieben heiligen Hülsenfrüchte gepflanzt. Diese waren Weizen, Linsen, Hirse, Schnittbohne, Kichererbsen, Sesam und Wicke. Dann ließ man diese Samen bis zum 16. Tag des Monats Farvardin wachsen. Welche Pflanze prächtiger wuchs, deren Samen säte man im kommenden, neuen Jahr. Heute wird bevorzugt Weizen gewählt und ca. eine Woche vor Nouruz gepflanzt. Am 13. Tag des Monats Farvardin wird die begrünte Pflanze, sabze [سبزه], mit ins Freie genommen und nach der Beendigung der Zeremonie sizdah bedar ins Wasser oder in einen Fluss geworfen.

Sabze

Straßenhändler verkaufen rote Fische

Man beginnt oft mit der Säuberung des Hauses, welche als Frühjahrsputz (Xânetakâni) [خانه تکانی] bekannt ist. Etwa zwei Wochen vor Nouruz ist das Haus komplett geputzt. Alles wird gewaschen und vom Staub gereinigt. Überall fühlt man die Ankunft des Frühlings. Jeder wird tüchtig die Zutaten für „Sofreye Haft Sin“ (Haft Sin Tafel) [سفره ی هفت سین] vorbereiten und kaufen. Man fühlt sich innerlich mehr denn je der Natur näher und verbunden; jeder ist fröhlich und lacht; überall wird ausgeschmückt, farbenfrohe Lichter schmücken die Bäume und Läden. Wohin man auch geht, wird man mit Süßigkeiten empfangen. Plötzlich gibt es viele Straßenhändler, die rote Fische verkaufen; man kauft am besten immer ein Paar; denn sie gehören auch zu „Haft Sin“!

Xâje Piruz (Hâji Firuz)

Man sieht und hört überall Hâji Firuz [حاجی فیروز]. Dies ist aber ein arabisiertes Wort des Xâje Piruz [خواجه پیروز] aus der antiken Zeit; darüber schreibt Ardašir Pârse in seinem Artikel über das Nowruz Fest: „[…] Mit schwarzem Gesicht, leuchtend roten Kleidern und Magierhut ziehen er und seine Musiker mit Tamburinen und Trompeten durch die Straßen und die Menschen lauschen dem Klang seiner Lieder, genießen den Anblick seines Tanzes und er bringt gute Laune für die Menschen. Er symbolisierte einst die Wiedergeburt der sumerischen Gottheit Domuzi, die einst Ende des Jahres getötet wurde und zum Neujahr wieder geboren wurde. Das schwarz bemalte Gesicht symbolisierte im alten Persien großes Glück, die rote Kleidung symbolisiert die Farbe des heiligen Feuer Ahurâs im Zoroastrismus […]“. Xâje kommt aus dem Persischen und bedeutet „der ehrwürdige Herr“ und Piruz „der Siegreiche“. Xâje Piruz („der ehrwürdige, siegreiche Herr“) ist der Sieger des Lichtes über die Dunkelheit. Das schwarz bemalte Gesicht des Xâje Piruz erinnert an eine Wiederkehr aus dem Reiche der Verstorbenen und ist auch das Symbol des Winters. Seine rote Tracht symbolisiert die Röte des Feuers und seine spendende Wärme. Sie bezeichnet auch die Ankunft des Frühlings und der wunderschönen Natur, die ihren Winterschlaf hinter sich hat. Xâje Piruz spielt Tamburin, spricht im Rhythmus dazu schöne Gedichte und tanzt einen fröhlichen Tanz in den Straßen. Er beherzigt so die Leute auf den Straßen. In den ersten Jahren nach der Islamischen Revolution und während des Krieges gegen den Irak war es verboten, sich öffentlich zu erfreuen. So geriet Xâje Piruz langsam in Vergessenheit, und wurde allmählich zu einer Art Legende. In den letzten Jahren aber ignoriert das Volk bewusst aus ziviler Ungehorsamkeit jene ungeschriebenen Verbote und erinnert sich die Tage vor Nouruz an Xâje Piruz.

Xâje Piruz

Har ruzetân nouruz, nouruzetân piruz

Die Ankunft des neuen Jahres
Der genaue neue Tag des Jahres wurde in der Antike durch Astrologen bestimmt; heute übernimmt das „Institut der Geophysik“ der Universität Tehrân diese Aufgabe. Der Zeitpunkt von Nouruz wird nach Stunde, Minute und Sekunde genau berechnet. Diese Berechnung basiert auf dem Sonnenkalender. Wenn die Erde sich einmal um die Sonne gedreht hat, spricht man zueinander: Har Ruzetân Nouruz, Nouruzetân Piruz („Jeder Tag soll ein neuer Tag sein, und der Tag möge gesegnet sein“) [هر روزتان نوروز, نوروزتان پیروز], und gratuliert somit allen zur Ankunft des neuen Tages.

Sâzodohol Nouruz

Alle sammeln sich am Sofreye Haft Sin, hören Radio oder schauen sich das Vergehen der Sekunden im Fernsehen an und zählen ungeduldig die Sekunden mit. Gespielt werden schöne Melodien aus Oboen und großen Trommeln (Karnâ va Dohol). Die Nouruz Melodie wurde von  Ali Akbar Mahdipour Dehkordi [علي اکبر مهدی پور دهکردی], Gott sei seiner Seele gnädig, komponiert. Sie gehört bis heute zum Bestandteil des Nouruz Festes, wenn das Jahr anfängt. In diesem Moment spricht man Gebete aus der ganzen Seele für die Geister der Verstorbenen, man betet um die Vollkommenheit und bedankt sich beim Allmächtigen für seine Großzügigkeit allen Lebewesen gegenüber. Die Jüngeren gratulieren den Älteren zuerste und diese beschenken sie mit Süßigkeiten wie Noql (eine Art Kandis und Konfekt), um den Mund zu versüßen. Man besprüht sich mit Rosenwasser. Die Kinder bekommen ihr Dastlâf [دستلاف] („Beschenkung“; neue Geldscheine oder Münzen) [Leider wird bis heute anstatt des persischen Wortes Dastlâf das arabische Wort Eydi (عیدی) verwendet].

Zunächst werden die nahestehenden älteren Verwandten besucht, dann andere ältere Verwandte, Freunde und Bekannte. Die Feierlichkeiten dauern 13 Tage an. Am 13. Tag organisieren Iraner eine Art Picknick. Man feiert im Freien, tanzt und singt fröhlich zusammen. Die sabze, die sie für die „Haft Sin“ keimen lassen hatten, werden auch oft  im Freien eingepflanzt.

Ali Akbar Mahdipour Dehkordi

Die Nouruz Melodie in voller Länge:

Sofreye Haft Sin; die sieben Sin’s

Sin ist der 15. Buchstabe des persischen Alphabets (س). Im antiken Iran war die Zahl 7 (Haft) eine heilige mystische Zahl. Die Sieben ist bis heute heilig und in fast allen Kulturen der Welt vorhanden. sofre bedeutet „die Tafel“; Sofreye Haft Sin bedeutet also „die Tafel der sieben Sin’s“. Zu dieser Tafel, zu der sich die ganze Familie am Nouruz Tag versammelt, gehören sieben Dinge mit symbolischer Bedeutung. Ihnen gemeinsam ist der erste Buchstabe ihrer Namen: Jeder fängt mit dem Buchstaben Sin an, wie:

Haftsin

Sabze: Das Grüne (bepflanztes Getreide): Die Pflanze symbolisiert die Wiedergeburt.
Sib: Der Apfel: Er symbolisiert die Schönheit und Gesundheit.
Samanu: Aus Weizen gewonnene Mehlspeise: Sie symbolisiert die Fülle und den Wohlstand.
Sir: Der Knoblauch: Er symbolisiert die Heilkunde.
Senjed: Die Mehlbeere: Sie symbolisiert die Liebe.
Sekke: Die Geldmünze: Sie symbolisiert den Reichtum und Wohlstand.
Somâk: Der Sumach. Er symbolisiert die Farbe der Sonne und damit das Symbol des Sonnenaufgangs; ein immer wieder neuer Anfang.
Serke: Der Essig: Er symbolisiert das Saure im Leben.
Sonbol: Die Hyazinthe: Diese Blume symbolisiert die Natur und ihre Schönheit.

Wie man sieht, hat man eine Auswahl für die sieben Sin’s. Zu den sieben Sachen kommen aber noch einige Gegenstände dazu:

Ein Buch: Das Buch symbolisiert die Weisheit und das Wissen. Viele benutzen heutzutage statt des Korans die Diwane des erhabenen Hâfez und Ferdowsi, denn ein Koran hat bei einem alt-iranischen Fest, das seit Jahrtausend gefeiert wird, nichts zu suchen.
Ein Spiegel: Der Spiegel symbolisiert den Lauf des Lebens, den man sich immer vor Augen hält und über seine Taten sich Gedanken macht.
Ein Paar rote (Gold-) Fische: Sie symbolisieren die Fruchtbarkeit.
Ein Paar Kerzenleuchter mit gezündeten Kerzen darin: Sie symbolisieren das Licht und stehen für die Verbannung der Dunkelheit und Unwissenheit.
Ein paar bunt bemalte Eier: Sie symbolisieren auch die Fruchtbarkeit.
Eine Schüssel mit Wasser gefüllt, in dem eine Orange schwimmt. Die Orange symbolisiert die Erde im All/Universum.
Süßigkeiten
Rosenwasser
Getrocknete Früchte, Konfekt und Pistazien

Zur Wahrung ihrer kulturellen Identität haben Iraner sich seit Jahrtausenden eine schwere Bürde aufgenommen. Noch heute werden sie vor diese Aufgabe gestellt. Aber ihre Kultur, Sitten, Gebräuche und Traditionen bleiben immer erhalten, egal wo sie sich befinden und unter welchen Umständen sie leben.

Das Gebet während des Eintreffens des Nowruz Festes am Haft Sin:

Ey ânke be xâste to gardad ruzhâ
Ey dide va del hamiše az to degargun
Ey ânke be daste tost jâvare jahân
Farmân deh ke gardad ruzhâ be kâm

Idun bâd

Übersetzung:
Oh Du Herr im Himmel, nach dessen Willen Tage zu Nächten, Nächte zu Tagen werden.
Oh Du Herr im Himmel, nach dem mein Herz und meine Augen ständig suchen.
Oh Du Herr im Himmel, nach dessen Willen das Universum ständig in Bewegung ist.
Befehle, damit das Leben uns alle Wünsche erfüllt.

Amen

Pârse & Pârse wünscht der Leserschaft frohes neues Nowruz Fest.

Pârse va Pârse residane xojasteye sâle nouye irâni râ be xânandegâne xod farxonde va šâdbâš miguyad.

Har ruzetân nouruz, nouruzetân piruz.

سال نوفرخنده باد. هر روزتان نوروز, نوروزتان پیروز

14 Gedanken zu „Nouruz, das Fest der Liebe

  1. Ein herrlicher Artikel. Und ich bin so unglaublich froh, dass dieses wichtige und ur-iranische Fest immer noch wie Feuer in uns brennt und von keiner schwarzen Arsche der Welt zerstört werden kann, nicht einmal, wenn diese Arsche Islam heißt.

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