Doha الدوحة – Katar hatte in den letzten drei Jahren nur deshalb so große Freiheiten, sein islamistisches Netzwerk zu betreiben, weil Washington einfach weg sah. In der Tat, im Jahr 2011, gaben die Vereinigten Staaten Doha, de facto freie Hand zu tun, zu was sie selbst nicht zu tun bereit waren: Im Nahen Osten zu intervenieren.
Schon Libyen war ein solcher Fall: Als US-Präsident Barack Obamas Regierung begann, eine Koalition für Luftangriffe im Frühjahr 2011 zu modellieren, führten die USA den Krieg aus dem Hintergrund und Frankreich und Großbritannien übernahmen die Führung bei der Umsetzung der Flugverbotszone, während das Engagement Katars und der Vereinigten Arabischen Emirate arabische Unterstützung demonstrierte. „Als Doha begann, die Rebellengruppen zu organisieren, wurde das allgemein begrüßt“, sagten ehemalige US-Beamte in Interviews mit Foreign Policy.
Das gleiche gilt für Syrien: Trotz Zurückhaltung bestimmter Lager in der US-Regierung, vor allem derjenigen Lager, die am Projekt Libyen gearbeitet hatten, war es immer noch die scheinbar beste Option: Katar, ein Verbündeter der Vereinigten Staaten, helfen zu lassen, eine regionale Lösung in einem Konflikt zu finden, den Katar und die USA selbst in der ganzen Region seit Jahren forciert hatten, denn das Weiße Haus hatte kein Interesse daran, hierin selbst verstrickt zu werden. Washington bat Doha keine Flugabwehr- und Panzerabwehrraketen an die Rebellen zu liefern, was Doha gelegentlich trotzdem getan hatte. Hier und anderswo bekam die Welt seit mindestens 2011 ganz klar die Naivität der Obama Administration schmerzlich zu spüren. Hier hatte die Obama Administration keine Bedenken, dass die Situation außer Kontrolle geraten könnte, wenn islamistische Extremisten hochgerüstet werden und erlaubt wird, dass Staaten, wie viele der Persischen-Golf-Staaten, Staatsterrorismus betreiben. Sie glaubten in ihrer völligen Naivität, dass sich islamistische Gruppen für US-amerikanische Ziele missbrauchen lassen würden. Aus den Taliban und Al Qaida, einst enge Freunde der USA, hatte man nichts gelernt, denn all diese extremistischen Gruppen hatten und haben ihre eigenen Vorstellungen und Ziele im Namen des Propheten (Allahs Heil und Segen auf ihm), vom Sturz Bashar Al Assads, bis hin zur Gründung des islamischen Staates, und den damit verbundenen ethnischen Säuberungen und Kriegsverbrechen.
Washington und Doha
Die Arbeit mit Katar war eine logistische Erleichterung in einer politischen Bequemlichkeit und grenzenlosen Naivität der Obama Administration. Doha trifft schnell Entscheidungen und ist bereit, Risiken einzugehen.
Während die Saudis langsam Waffen nach Syrien bewegten, schickte Katar Flugzeuge, um schätzungsweise 3.500 Tonnen militärische Ausrüstung in 2012 und 2013 zu bewegen, angeblich mit Unterstützung des CIA. „Ihr Prozessresort hat nur drei Personen als Entscheidungsträger“, sagte ein ehemaliger US-Beamter.
Genauso verfuhr Washington, beim Versuch einen Kontakt mit den afghanischen Taliban in den Jahren 2011 und 2012 herzustellen und wandte sich an Doha. Das Ziel war, Hilfe für eine politische Lösung, beim Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan zu erhalten. Durch die Kontakte, die immer indirekt über Katar abgewickelt wurden, erklärten sich die Taliban bereit zu verhandeln, aber zuerst wollten sie ein eigenes Büro. Im Juni 2013 bekamen sie es dann. Wie ein souveräner Staat, erhielt die Terrorbande eine große Villa im Botschaftsviertel von Doha, in der Nähe eines überfüllten Kreisverkehrs, der als Regenbogen-Kreisverkehr bekannt ist.
Aber Katars Vorteile verwandelten sich schon bald in lästige Belastungen. Als Doha sich von Krise zu Krise im Nahen Osten hangelte, zeigte Katar wenig Fähigkeiten, zuverlässige Proxies zu finden und sie zu kontrollieren, sobald Ressourcen in sie hineingepumpt worden waren, verselbstständigten sie sich. „Meiner Ansicht nach, war die Politik Katars ein bisschen amateurhaft. Als sie einstiegen, zeigten sie keine Ausdauer“, bemerkte ein ehemaliger US-Beamter gegenüber Foreign Policy.
Im Fall der Taliban bewies Doha, nicht in der Lage oder nicht willens zu sein zu verhindern, dass die Terroristen kühn ihre Flagge über ihrer neuen Villa in Katar hissen – ein Akt der diplomatischen Symbolik, die Kabul zurecht wütend machte und Kabul zum Scheitern gebracht hatte, noch bevor die Gespräche begonnen hatten. Alles, was aus diesem Prozess noch zu retten war, wurde ein Jahr später erst deutlich: Es war ein Gefangenenaustausch, des US-Sergeant Bowe Bergdahl, gegen fünf Top-Taliban-Kommandeure, die in Guantánamo Bay festgehalten worden waren. Katar gab seine Zusicherung, dass die fünf Taliban unter strenger Beobachtung in Doha verbleiben würden – aber angesichts der Lehre aus der Geschichte, muss das nicht unbedingt bedeuten, dass sie nicht von Doha aus, das afghanische Schlachtfeld beeinflussen und beeinflusst haben.
Von der Syrienkrise nahm Washington erst dann ernsthaft Notiz, als der islamische Staat an Prominenz gewonnen hatte. Bis dahin dachte die USA nur an den Sturz Bashar Al Assads, unterstützte die Terroristen medial, schickte ihre eigenen Terrorbanden, von der CIA ausgebildet, nach Syrien, lieferte Waffen nach Billigung des Kongresses über die Türkei an die islamistischen Rebellen, genauso, wie sie es Jahre zuvor taten, als sie die Taliban gegen die ehemalige Sowjetunion unterstützt hatten. Luftschläge gegen die legitimen Regierungstruppen von Bashar Al Assad konnten nur durch Intervention Russlands verhindert werden. Und ein Sieg über die Regierungstruppen und der Sturz Bashar Al Assads wurde ebenso nur durch Intervention Russlands, Irans und der libanesischen Hisbollah verhindert. Daher verselbständigten sich die islamistischen Rebellengruppen, bildeten Bündnisse, führten Krieg gegeneinander und gründeten ersatzweise den Islamischen Staat in Irak und der Levante (ISIL).
Im März dieses Jahres, beschuldigte David S. Cohen, Staatssekretär für Terrorismus und Finanzspionage, in einem beispiellosen Schritt, Katar in aller Öffentlichkeit für seine „permissive Terrorismusfinanzierung in seiner Umgebung.“ Derartige krasse Kritik, sagen Anti-Terror-Experten, ist in der Regel Gesprächen hinter verschlossenen Türen vorbehalten. Die öffentliche Kritik war wahrscheinlich der Grund, weshalb Doha nicht für private Anfragen Washingtons zur Verfügung stand.
In diesem Sommer, warf der Konflikt zwischen Israel und der Hamas auch ein neues Licht auf Katars Verbindungen zu Extremisten in Palästina. Hamas Führer Khaled Mashal hat seine Basis in Doha, seit er mit dem syrischen Regime im Jahr 2012 gebrochen hat, und Katar sanierte die Terrororganisation politisch und finanziell gegen Israel.
Im Oktober dieses Jahres besuchte Katars Emir den Gazastreifen persönlich und sicherte 400 Mio. USD Hilfen zu. Vor und während des letzten Gaza-Krieges, begannen die Mitglieder der Persischen-Golfstaaten, Washington zu beeinflussen um härter gegen Katar vorzugehen. Im Jahr 2013, haben die Vereinigten Arabischen Emirate 14 Mio. USD in die USA verbracht – mehr als jedes andere Land – um nach Angaben der Sunlight Foundation Lobbyarbeit in Washington zu betreiben, Die Camstoll-Gruppe, die mit den jüngsten Medienberichten in Verbindung gebracht wurde, hat einen Vertrag seit 2012, die Offenlegung der Dokumente, zeigt Einnahmen daraus, von bis zu 400.000 USD pro Monat. In der ersten Hälfte des Jahres 2013, verdiente sie 4.3 Mio. USD für Tätigkeiten, für Informationsmaterial und die Beratung in Fragen der „illegalen Finanzaktivitäten.“
Die führenden Köpfe in Washington haben nachzudenken begonnen – endlich. In einer Anhörung am 9. September 2014 im US-Repräsentantenhaus, haben Zeugen und Kongressabgeordnete Maßnahmen gegen Katar vorgeschlagen, die drastisch das Verhältnis zwischen Washington und Doha umformen würden. In der Zeugenaussage von, Jonathan Schanzer, Vizepräsident für Forschung an der Stiftung für Verteidigung von Demokratien, hatte drastische Maßnahmen vorgeschlagen, die regelrechte Schockwellen durch das Katar-Finanzsystem senden könnten. Darunter das Bezeichnen von Wohltätigkeitsorganisationen und Einzelpersonen in Katar, die Terrorismus unterstützen und Geldwäsche für Terroristen betreiben, dem Stoppen eines 11 Mrd. USD Waffengeschäftes mit den USA, und das Öffnen einer Beurteilung in den Kosten für die Schließung und den Abtransport der US-Militärbasis aus dem Emirat.
„Excellente Ideen“, sagte der Vorsitzender Rep. Ted Poe (R-Texas) in der Anhörung als Antwort auf die Zeugen. „Wir sollten sie alle treffen und so viele umzusetzen, wie wir nur können.“
Das US-Finanzministerium ist auch dabei, eine Intensivierung der Bemühungen vorzunehmen, um gegen die Finanzmittel von al-Qaida und dem islamischen Staat vorzugehen. Am 24. Sept. bezeichnete es mehrere Personen namentlich mit Verbindungen nach Katar. Neben dem Vorwurf an Katar direkt, Gelder von Spendern aus den Persischen-Golf-Staaten nach Afghanistan verschoben zu haben, ist Tariq Bin-Al-Tahar Bin Al Fatih Al-Awni Al-Harzi benannt worden, der Unterstützung von Katar suchte und erhielt, einschließlich der Anordnung für den islamischen Staat rund 2 Millionen US-Dollar zur Verfügung zu stellen, von einem in Katar ansässigen Finanzvermittler des islamischen Staates, der den Wunsch hatte, dass Al-Harzi die Mittel für erforderliche Militäroperationen nutzt.
Dohas Antwort darauf blieb nur die jüngste Wiederholung eines lang andauernden Bieterkrieges zwischen den Persischen-Golf-Staaten um die Gunst Washingtons. Katar hat seine Präsenz in Washington in den letzten Jahren verstärkt und hält aktive Verträge mit Lobbyisten, wie Patton Boggs, Barbour Griffith und Rogers, und BGR Government Affairs. Mit seinen langen scheinheiligen philanthropischen Armen, um einmal sarkastisch zu werden, sponserte Doha alles, angefangen von Studentenaustauschprogrammen, bis hin zum Kongress-Wohltätigkeits-Baseballspiel in den USA. Seit der globalen Finanzkrise, haben verschiedene Investmentfonds aus Katar auch in Immobilien in Washington, Chicago und anderswo investiert.
Katars Geld geht oft schräge Wege, durch die Hände dutzender Berater, Unternehmer und ehemaliger Beamter, die hier und da von Doha angeheuert werden. Zur Soufan Group zum Beispiel, ein angesehenes Beratungsunternehmen bei der Terrorismusbekämpfung und Information.
Sein Gründer, Ali Soufan, ist auch Geschäftsführer der Katar International Academy for Security Studies (QIASS) in Doha, ein von der Regierung geführtes Zentrum, das staatlichen und militärischen Mitarbeitern mehrwöchige Kurse anbietet. Mehrere andere Mitarbeiter der Soufan Group werden auch als Mitarbeiter dort aufgelistet – eine Zugehörigkeit offenbaren sie in US-Medien Interviews jedoch selten. Telefonisch teilte Lila Ghosh, Kommunikationsspezialistin der Gruppe Foreign Policy mit, dass das Unternehmen keine Aktivität im Namen Katars innerhalb der Vereinigten Staaten unterhält.
Die QIASS scheint auch dem ehemaligen Sprecher Obamas, Robert Gibbs, in ihrer neuer PR-Gruppe, die Incite Agency, einer seiner ersten Jobs gegeben zu haben. Nur wenige Wochen nach der Eröffnung, behandelte sie Teilnahmebescheide für Veranstaltungen der Soufan Group und der QIASS als Co-Gastgeber „gegen gewalttätigen Extremismus“, ist im Foreign Policy zu lesen.
Aber der wichtigste Grund, weshalb Katar in der Gunst Washingtons bleiben will, ist nicht Geld oder Einfluss, sondern reine Notwendigkeit. Bis die Vereinigten Staaten eine Koalition gegen den islamischen Staat gebildet haben, werden sie in erster Linie ihre Air Base in Katar, die als Kommandozentrale für Operationen dient, benötigen. Und damit noch einmal, die arabische Unterstützung in Anspruch nehmen müssen.
Mit Syrien und dem Irak, im Chaos am Boden liegend, sind beide Länder nun von einer Reihe von extremistischen Akteuren durchsetzt, mit denen Washington nun nicht verhandeln will. Bis jetzt war Doha für diesen Job zuständig. Zuletzt, wurde Katar zu Hilfe gerufen, um über die Freilassung von 45 Angehörigen der UN-Friedenstruppen, die von der Katar nahestehenden al-Nusra Front جبهة النصرة لأهل الشام gefangen genommen wurden, zu verhandeln – und am 12. September wurde bekannt gegeben, dass Doha erfolgreich die Freilassung der Soldaten erzielt hatte. Katar besteht darauf, dass kein Lösegeld gezahlt wurde; vielleicht gab aber das islamistische Netzwerk, der in Doha ansässigen Geldgeber, der Regierung einen gewissen Einfluss über die Terrorgruppe. Oder es kann sein, dass der al-Qaida Abkömmling noch etwas viel wertvolleres dafür erhalten hat.
Katar kann den Extremisten wie der al-Nusra Front Legitimität geben. In den offiziellen Anforderungen der al-Nusra Front in Bezug auf die Geiseln der Friedenstruppen, wurde beispielsweise danach gefragt, die Terror-Gruppe von der UN-Sanktionsliste zu nehmen. Die al-Nusra Front will als legitimer Partner gegen den islamischen Staat gesehen werden und Katar könnte in der Lage sein, ihnen eine Plattform in der Zukunft anbieten zu können und ihnen als Terrorgruppe diese gewünschte Legitimität verschaffen.
Das ist das Wesentliche, was Katar seit langem seinen extremistischen Freunden bot: eine Plattform, mit Zugang zu Geld, Medien und freies Handeln in der politischen Hauptstadt Katars. Washington hat bisher immer mitgespielt, aber die Frage ist eigentlich: Spielt Doha gerade mit den Vereinigten Staaten?
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