Jašne Tirgân – das iranische Regenfest

Am Tag Tir, dem 13. Tag im iranischen Kalender im Monat Tir, der dem 01. Juli im gregorianischen Kalender entspricht, findet das altiranische Regenfest Tirgân [تیرگان] statt. Dieses Fest zählt zu den wichtigsten zoroastrischen Festen und entstand in seiner Urform vor etwa 3500 Jahren.


Das Fest wird Tirgân genannt, weil die Iraner den Engel Tir, awestisch Tištira (Tischtyra) verehrten, der nach dem Stern Sirius, dem hellsten Stern am Firmament benannt wurde. Der Engel Tir erschien, um die Dämonen der Trockenheit und der Dürre mit Blitz und Donner zu vertreiben, um den lang ersehnten Regen zu bringen. Einst wurde Jashne Tirgân [Jašne Tirgân] an zwei aufeinander folgenden Tagen gefeiert, damals wie heute, ganz besonders in den iranischen Gemeinden in Kanada mit Tanz, Gesang und heute mit Gedichten aus dem Divan des Hâfeze Širâzi begangen, man isst še Rešte, einen Spinat-Nudeleintopf, Obst, Wahlnüsse, und Šolle Zard, eine Süßspeise aus Reismehl, Mandeln, Pistazien, Zucker, Rosenwasser, Zimt, Sahne und Safran. Die regenbogenfarbenen Bänder um die Handgelenke, die auch den Regenbogen symbolisieren sollen, werden nach zehn Tagen in den Fluss geworfen und manche verbringen den Tag spielend am Meer oder an den Quellen der Flüsse. Auch das „Wasserspritzen“ [Âbpâšân] an den Flüssen ist ein wichtiges Ritual an diesem Tag. In altorientalischen Regionen mit seinen verschiedenen Epochen wurden Gewitter und Stürme, wie in anderen Hochkulturen auch, als numinose Gewalt empfunden. Unterschiede in der Mythologie zeigen jedoch, dass der Regengott im vom Bewässerungsfeldbau geprägten Babylonien eine geringere Rolle spielte, als in den stärker vom Regenfeldbau geprägten Gebieten des Alten Orients, wie in Obermesopotamien und großen Teilen der iranischen Hochebene.

Der Mythos um Âraš Kamângir [Âraš der Bogenschütze], dem mythischen iranischen Helden

In Borudscherd / Iran [بروجرد] in der Provinz Lorestan, dem Kreuzungspunkt zwischen Chuzestan und Teheran, sowie dem Kreuzungspunkt zwischen Esfahan und Kermanschah, aber auch in den Palastanlagen von Sa’dâbâd in Teheran, finden wir eine Statue dieses mythischen Helden Âraš [آرش], dem das Fest Tirgân später gewidmet wurde.  Turân, das Land der Türken jenseits des Amudarja, war einst im Besitz von Tur, einer der Söhne des iranischen Urkönigs Fereydun, der einem seiner Söhne mit Namen Tur das Land übergab. Im Šâhnâme [شاهنامه] steht geschrieben:

….„Dann gab an Tur er Turan hin
Und machte ihn zum Herrn von Turk und Tschin“

Leider hatte der große Dichter Ferdowsi nicht die nötigen archäologischen und historischen Funde und Erkenntnisse die wir heute haben, er hielt sich an die Überlieferungen unserer Nachbarn, den Arabern, unseren Gegnern und Kontrahenten.  Die Stämme und Völker, die im Land Tur gelebt hatten und von denen er gedichtet hatte, waren eher Einheimische, arisch-stämmige Völker  des Landes Tur, die nach der Invasion der türkischen Stämme in ihrem Land Tur gezwungen waren, immer mehr in das iranische Hochland einzudringen, so sind die betreffenden erwähnten Kriege im Šâhnâme historisch gesehen eher als Kriege Zwecks der Eroberung verschiedener Länder und Gebiete durch die Tur Bevölkerung, die von den Türken aus ihrem Land verjagt wurden, zu sehen. Alle erwähnten turanisschen Namen der Helden und Krieger und Könige haben persische Namen.

Die erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Stämmen Turans und und den Menschen der iranischen Hochebene nahmen ihren Anfang mit der Geschichte König Manucehrs [Manouchehr]. Âraš war einer der beiden Söhne des 6. mythischen iranischen Urkönigs Keykâvus und wird auch in den Schriften Zarathustras erwähnt.  In Ferdowsis Šâhnâme, dem Buch der Könige beginnt das Epos um Âraš, als der iranische König Manouchehr, von den Völkern Turâns besiegt wird. König Afrâsiyâb [افراسياب], der mehrfach auch in der Awesta erwähnt wird, befahl, dass die neue Grenze zwischen Persien und Turân [توران] der Einschussort eines abgeschossenen Pfeils sein sollte. Diese Aufgabe wurde Âraš, dem besten iranischen Bogenschützen übertragen.

Genau am Tag Tir, dem 13. Tag des Monats Tir, bestieg er der Legende nach den Gipfel des Demawand [Damâvand], der höchsten Erhebung des Alborz, betete zu Ahurâ Mazdâ [اهورا مزدا] dem Gott aller Güte, bat ihn um Beistand und schoss einen Pfeil mit all seiner Kraft in Richtung Osten, gen Oxus, dem heutigen Amudarja [آمودریا] ab und starb. Der Pfeil soll mit Hilfe des Geistes von Ahurâ Mazdâ vom Gipfel des Demawand über 2500 km bis in die Steppenregionen Zentralasiens geflogen sein und soll die Grenze zwischen Turâns Völkern und Iran markiert haben [Tishtar Yasht (Yt8.6)].

Für viele Jahrhunderte blieben die Steppenregionen Zentralasiens, jenseits des Amudarja, tatsächlich die befriedete Grenze  Irans zu Turân, bis die Türken ab dem 5. Jahrhundert 150 Jahre lang mehr oder weniger erfolglos Krieg gegen den sassanidischen Iran führten und dann ab dem 10. Jahrhundert endgültig in Iran einfielen.

Als Afrâsiyâb Iran endlich verließ, um nach Turân zurückzukehren, soll dies nach acht Jahren Dürre zu heftigen Regenfällen in Iran geführt haben und seitdem gibt es am Tag Tir, dem 13. Tag im Monat Tir gerade deshalb die regenbogenfarbenen Bänder, die an diesem Tag um die Handgelenke der gläubigen Zoroastrier getragen werden und zehn Tage später entfernt und in den Fluss geworfen werden. Das Versinken der regenbogenfarbenen Bänder im Wasser symbolisiert die Rückkehr Afrâsiyâbs nach Turân und alle Katastrophen, wie jene Geschichte, sollen genau wie diese Bänder im Wasser versinken.

König Afrâsiyâb wurde nach langem weiterem Kampf später von Rostam [رستم] dem iranischen Helden besiegt und vom iranischen König Keyxosrou [کیخسرو] getötet. Im Šâhnâme steht dazu:

…„Man schleppt’ ihn aus des Henkers Hand
In schwerem Band und üblen Stand
Und stellte hin vor Khosrow ihn,
,Blut weint’ er auf Blutwangen hin.
Der Shah von Iran erschloss den Mund,
Sprach von der Schüssel, dem Dolch und der Wund’
Und hieb den Feldherrn mitten entzwei,
Der Schar entfuhr ein Schreckensschrei“

Aus dem Shahnameh Sage XX-XXVI

4 Gedanken zu „Jašne Tirgân – das iranische Regenfest

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