
Adam Lauks als Student in der DDR – 1972/1973 kam er aus Belgrad
Ein Interview von und mit Ardašir Pârse und Adam Lauks
Ardašir Pârse: Herr Lauks, wir freuen uns sehr, Sie heute bei uns zu haben. Im Rahmen der politischen Geschichte, wollen wir uns in diesem Interview einem deutsch-deutschen Thema zuwenden. Herr Lauks, Sie sind eines der ungesühnten Folteropfer der STASI. Sie haben bereits im Jahr 1986 dem „Spiegel“, 1987 in MLADINA und im Jahr 2009 der „BILD“ ein Interview gegeben. Sie wurden am 19.05.1982 in Ost Deutschland von der STASI wegen Verstoßes gegen das Zoll- und Devisengesetz der DDR inhaftiert. Können Sie uns erläutern, weshalb genau Sie inhaftiert wurden?
Adam Lauks: Ich war von April bis 17. November 1981 an einer Wirtschaftsdiversion von einem ungeahntem Ausmaß beteiligt, die der STASI und somit der DDR einen errechneten Wirtschaftsschaden von weit über 1,5 Mrd. M DDR angerichtet hatte.
Ardašir Pârse: Worum ging es genau?
Adam Lauks: Mein Delikt war: Ungenehmigter Handel mit Quarzarmbanduhren westlicher Prägung – obwohl die Uhren aus Singapur und Hong Kong kamen. Das heißt Schwarzhandel mit Quarzuhren. Im Urteil steht: „wegen ungesetzlicher Wareneinfuhr im schwerem Fall“ Der Schmuggel wird verschleiernd beschrieben, weil die STASI weiß, dass den „Schmuggel, bzw. die ungesetzliche Wareneinfuhr“ die Diplomaten durchführten, die für die STASI unerreichbar waren, wegen deren Immunität. – Ich habe keine einzige Quarzuhr über die Grenze in die DDR gebracht ! DAS gibt kein Vernehmungsprotokoll her. Fahrer des jugoslawischen Botschafters Nikola Kolaric ( mein Freund ) und der Geschäftsträger der costa-ricanischen Botschaft Marin Rogers brachten die Uhren für meine Händler und Auftraggeber – Besteller mit über die Grenze.
„in Tatmehrheit mit mehrfachem ungenehmigten Devisenwertumlauf in einem schweren Fall“ handelt es sich um Geld das aus dem Verkauf stammt, dass in Form der DDR Mark über die Grenze nach Westberlin gebracht wurde ( durch Diplomaten) bzw. der Tausch mit DDR Bürgern ( das war ein Zollvergehen ) und obwohl Geldumtausch von Mark der DDR in DM unter Kollegen ( Devisenausländern ) – wofür es bei der Verurteilung KEINEN Paragraphen im Devisen Gesetz gegeben hatte(!?) wurde ich trotzdem deswegen verurteilt – auch ohne Gesetz. Kurzum, der Historiker Helmut Müller Enbergs ( Verfassungsschützer ) in der Gauck Behörde erkannte bei der Durchsicht meiner STASI-Akte, dass es sich um einen klassischen Fall von KURIERFAHRTEN handelte.

Adam Lauks und das Tatfahrzeug
Ardašir Pârse: Wie kam es dazu?
Adam Lauks: Die DDR war vom Westen durch den eisernen Vorhang abgeschirmt. Anfang 1979 kamen auf den Markt Quarzarmbanduhren mit vier Funktionen und digitaler Anzeige. Sie wurden zum Modeartikel, so wie heute Smartphones. Es war etwas, das jeder wollte und haben musste bzw. wünschte sich jeder das zu kaufen und zu besitzen. So auch die Menschen in der DDR. Der DDR Außenhandel, der aus lauter OiB – Offizieren im besonderen Einsatz bestanden hatte, hatte auch seine Vertreter und Spione in Macao und Singapur wo die Quarzuhren – vermutlich aus China – auf den Markt kamen. Die DDR Grenze war für die Waren und Luxusprodukte aus dem Westen fast undurchlässig. Die kommunistische Planwirtschaft war total abgeschottet. Alles was importiert wurde, musste erst durch die staatliche Planungskommission genehmigt werden… ALLES! Die STASI – Leute wussten über die enorme Kaufkraft der eigenen Bevölkerung Bescheid und betrieben mit Importen aus dem Westen eigentlich eine Abschöpfung dieser Kaufkraft, natürlich „zum Wohle des Volkes“. Dafür gibt es viele Beispiele, angefangen mit Farbfernsehern, Taschenrechnern, Jeans, Schallplatten, Autos und auch Quarzuhren. Man konnte in Hong Kong und Singapur als Großeinkäufer eine Damen- oder Herren Armbanduhr für 3,00 US$ kaufen, was die STASI auch tat. Das heißt nach dem inoffiziellen Kurs für 25-30 M DDR das Stück.
Ardašir Pârse: Die STASI war ja damit auch ein wirtschaftliches Verbrechersyndikat, oder?
Adam Lauks: Natürlich ist die STASI ein Verbrechersyndikat gewesen. Die DDR hatte keine Chipproduktion gehabt und orderte ( vermutlich ) Uhren die sie dann als Qualitätsuhren aus Ruhla ( eigene Produktion) auf den Markt warf, zu sage und schreibe 550 M DDR für eine Damenquarzuhr und 600 M DDR für eine Herrenquarzuhr. Das heißt den Einkaufspreis von 30 M DDR von 550 M DDR bzw. 600 M DDR abgezogen, wollte die STASI pro Uhr 520 M DDR bzw. 570 M DDR als Reingewinn haben. Dadurch wurden die Quarzuhren auch zum Statussymbol in der damaligen DDR. Wenn man weiß, dass eine Verkäuferin in einer Kaufhalle 390 M DDR, eine Krankenschwester – im Dreischichtsystem für 440 M DDR im Monat gearbeitet hatte, eine Lehrerein – wie meine Ex 635 M DDR oder ein Stellvertretender Leiter der Klinik 1.350 M DDR verdienten, kann man sich denken wie verbrecherisch der Drang nach dem Gewinn war. Die Planer des Ministeriums für Staatssicherheit haben nicht ahnen können, was für eine Konkurrenz ihnen das Geschäft vermasseln wird.
1979 hatte man mit dem Bau des Interhotels Mercure in Leipzig begonnen, wo zu weilen an die 300 jugoslawische Bauarbeiter für TEMPOBAU aus Düsseldorf und seinem Nachfolgeunternehmen Schwarz gearbeitet hatten. Die Japanische KAJIMA-Corüoration war der Investor und westdeutsche Firmen führten die Bauarbeiten aus, mit zu weilen an die 300 jugoslawische Schwarzarbeiter, überwiegend aus Bosnien und Herzegowina. Mitte 1979 – im Juli brachte als Erster Ilija Jovanovski aus Skopje die ersten 700 Stück aus Wien nach Leipzig mit. Er übergab die Uhren an einen Polen der nach drei – vier Stunden mit 350.000 M DDR erschien. Danach kamen auf den Markt nach Leipzig wöchentlich bis zu 10.000 Quarzuhren die reißende Abnehmer fanden.
Ardašir Pârse: Hatten die Schwarzhändler hier nicht einen enormen Vorteil im Verkauf der Quarzuhren gegenüber der STASI?
Adam Lauks: Natürlich wollten die Menschen in der DDR lieber eine Quarzuhr „aus dem Westen“ haben, als eine aus eigener Produktion, die praktisch ein Piraterieprodukt war. Das heißt die „DDR-Produktion“ blieb in den Läden des DDR Binnenhandels liegen- die Ruhla-Uhren wurden zu Ladenhütern. Kurzum: Man konnte nicht genug Uhren heranschaffen die der Markt aufnehmen konnte. Weil Schwarzhandel und Schmuggel in Jugoslawien und besonders in Bosnien und Herzegowina als Kavalierdelikt galt, sahen viele Jugoslawen die Möglichkeit schnell viel Geld zu verdienen und ließen sich ein, mit dem ungenehmigten ambulanten Handel von Quarzuhren. Die Jugoslawen hatten ihre Großabnehmer in den Polen, die wiederum hatten ihre Endverkäufer unter slowakischen, tschechischen und ungarischen Zigeunern, die dann über die Provinz ausschwärmten und die Uhren an die Endabnehmer verkauften. Aus den Akten des OV „Merkur“ mit Beobachtungsprotokollen kann man herauslesen dass der Handel vor der Nase von über 200.000 inoffiziellen Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit florierte ( IM – Spitzel oder Zuträger die sich verpflichtet hatten Informationen zu liefern für wenig Geld )
Wenn ein IM – Spitzel für einen Bericht an seinen Führungsoffizier mal 20 oder 50 oder sogar 100 M DDR bekam war das geil. Die IM´s hatten auch die Möglichkeit mit dem Weiterverkauf von Quarzuhren 3.000 – 5.000 M DDR pro Abend zu verdienen. Deswegen steht fest – aus der STASI-Akte geht das eindeutig hervor- dass bis zum 17.10.1981, zwei Jahre und drei Monate nach dem Beginn des Schwarzhandels, noch kein einziger Offizier des Ministeriums für Staatssicherheit einen Bericht eines der Informanten bekam, mit Hinweisen über Schwarzhandel mit Quarzuhren in Leipzig oder Berlin, Magdeburg, Dresden, Halle.- Anfänglich kamen die Uhren aus Wien – Zirkusstrasse über TRANSIT durch die BRD und dann auch durch TRANSIT durch die DDR. 1981 etablierten sich zwei Verkäufer in Westberlin, die die Ware aus Singapur direkt über den Flughafen Tegel einfliegen ließen.
Ardašir Pârse: Können Sie uns näheres über die Haftumstände sagen?
Adam Lauks: Es war der 19.5.1982, es war ein Mittwoch. Meine Ex Frau war ziemlich früh aufgestanden. Daniela musste in die Schule, die Juliane sollte in den Kindergarten gebracht werden. Während ich mich rasierte ging sie auf den Balkon und schaute runter. „Da sind komische Leute vor dem Haus“ rief sie mir zu. „Pass auf ,wenn die auf mich warten“ antwortete ich ohne jegliche Hintergedanken. Meine letzte Kurierfahrt oder Quarzuhrenübergabe fand am 17.11.1981 statt. Es lagen 6 Monate zwischen meinem Ausstieg und jenem 19.5.1982. Ich hatte schon gedacht, dass nichts mehr kommen wird und habe meine Kurierfahrten verdrängt gehabt. Unsere Ausreise und Übersiedlung war schon für den 24.6.1982 geplant und fixiert. Den Skandal meiner Verhaftung haben weder die DDR noch Jugoslawien gebraucht. Bis dahin wurde kein Angehöriger der Botschaft oder des JUGOBÜROS verhaftet. Ich freute mich auf meinen neuen Job in der Centrale der Ljubljanska Banka in Ljubljana. Am 4.5.1982 waren wir gerade aus Jugoslawien zurückgekehrt. Am 18.4.1982 reisten wir alle über Hirschberg aus um in Ljubljana die Schlüssel meiner neuen Wohnung zu übernehmen. Auffallend lange dauerte die Ausreise über Hirschberg. Die Grenze war für den „Merkur“ seit Oktober 1981 bereits zu, ich befand mich auf der Fahndungsliste, sah ich später aus der Akte OV „Merkur“. Ich habe mit der Verhaftung nicht mehr gerechnet, als wir um 7.45 Uhr in den Fahrstuhl stiegen. Mein Volvo stand direkt vor dem Eingang geparkt. Daniela rannte über die Straße in die Schule, meine Ex Frau lief mit Julchen auf dem Arm links ab. Als ich an das Auto herantrat um mit dem Schlüssel die Tür an der Beifahrerseite aufzuschließen um meinen Aktenkoffer reinzulegen, stellten sich mir zwei Mann in den Weg. Der eine zückte irgendeine Hundemarke aus der Tasche. „Sind sie Adam Lauks?“ „Ja“, antwortete ich „Warum“? „Kommen Sie mit, zwecks Klärung eines Sachverhaltes,“ sagte er! Ob er sich als Zollfahnder der DDR oder als Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit vorstellte, weiß ich heute nicht mehr genau. Drei vier Autos weiter stand ein Wartburg geparkt, auf dessen Rücksitz ich zwischen zwei Mann Platz nehmen musste.
Meine Frau hatte gesehen, dass ich verhaftet wurde, sie drehte sich nicht ein einziges Mal mehr um. Das Julchen guckte mich mit ihren großen Augen an und entfernte sich aus meinem Leben… für immer. Mein Vernehmer erzählte mir später in der U-Haft dass 29 Sicherheitskräfte an der Verhaftung vom Objekt „Merkur“ im Einsatz waren!? Das Auto hielt in der Grellstrasse wo die Zollfahndung der DDR war. und die Erstvernehmung stattfinden sollte, wonach erst entschieden werden sollte ob ich strafrechtlich verfolgt werde. Bis dahin hatten die Organe der DDR nichts gehabt was meine Verhaftung rechtfertigen könnte. Das hat mir nach der Übergabe der Anklageschrift im März 1983 der Vernehmer selbst gesagt: „Herr Lauks, hätten Sie nur noch zwei Wochen geschwiegen, hätten wir Sie nach Hause geschickt – WIR hatten nichts, keine Beweise.“ Er hat sich in aller Form dafür bedankt, dass ich ihn vom Kommissar zum Oberkommissar gemacht hatte. Seit der Wende ist er als Untersuchungsorgan der HA IX des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR übernommen worden. Ich fand ihn am Hauptzollamt Berlin am Mehringdamm 129 wieder.
Ardašir Pârse: Herr Lauks, wir danken Ihnen für den ersten Teil des Interviews, wir werden uns in den nächsten Teilen dieses Interviews noch intensiver damit beschäftigen, was Ihnen wiederfahren ist und noch viele interessante und delikate Details erfahren, die unangenehm für deutsche Spitzenpolitiker werden können. Den 2. Teil dieses Interviews wollen wir ihrer Vernehmung, dem Prozess und der Haft und was sie dort erlebt und gesehen haben widmen.
Hat dies auf stasileaksde rebloggt.
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