Iranische Frauen in der Antike (1)

Iranische Frauen in der Antike

Iranische Frauen in der Antike

Von: Sherry

Jede Analyse über das Leben und den Status der Frauen im antiken Iran stellt eine sehr komplexe Aufgabe dar, die viel Zeit und Geduld erfordert. Die Intention dieses verhältnismäßig zum Thema sehr kurz geratenen Essays ist die, essenzielle und auf archäologische Befunde basierende Informationen bereitzustellen, die für ein deutlicheres Bild der Frau zu jener Zeit nötig sind. In diesem Essay wird hauptsächlich die Frau im achaemenidischen Iran behandelt. Das Material basiert vor allem auf Verwaltungs- und Finanz-Texte, die in Persepolis (509-438 v. Chr.) bei Ausgrabungen entdeckt worden sind. Auch Dokumente aus Susa, aus Babylon und anderen mesopotamischen Hauptstädten aus dieser Periode werden herangezogen.

Diese Texte geben eine einzigartige Einsicht in die soziale und wirtschaftliche Situation der Frauen im antiken Iran wieder – einmal von den Frauen königlicher Abstammung und einmal von den Frauen aus dem gemeinen Volk. Der Text beinhaltet die Beschreibung des Lebens einzelner Frauen, Bezahlungen und Löhne für männliche und weibliche Arbeiter/innen und Aufzeichnungen über explizite Anweisungen der Herrscherinnen oder ihren Vertreter/innen an die Arbeiter/innen. Sie geben uns einen wertvollen Einblick in jene Zeit, in der diese mächtigen Frauen ihr Vermögen eigenständig verwaltet haben.

Der Status der Frauen innerhalb der Königsfamilie

Die Dokumente zeigen offensichtliche Status-Unterschiede zwischen den verschiedenen Familienmitgliedern in der herrschenden Königsfamilie auf. Der jeweilige Status der Frauen in der Königsfamilie ist abhängig von der Beziehung der Frau zum König. Als interessantes Beispiel sei da zu nennen, dass die Mutter des Königs zu den anderen weiblichen Familienmitgliedern den höchsten Rang hatte und eine Art „Oberhäuptin“ darstellte. Der zweithöchste Rang wurde von der Königin getragen (die Mutter vom Kronprinzen oder die Hauptfrau des Königs). Gefolgt wurde sie dann von den Töchtern und Schwestern des Königs. Alle Frauen hatten einen spezifischen Titel mit anerkannter Autorität am Hof und leiteten ihr beachtliches Vermögen eigenständig.

Beerdigungsriten und Sitten, in denen der adeligen Frauen nach ihrem Tod gedacht wurde, zeigen eindeutig eine sehr hohe Anerkennung und Achtung diesen Frauen gegenüber. Vor allem die Mutter und die Frau des Königs wurden hoch gepriesen. Aus den Schriften wissen wir, dass der König die wichtigste Quelle der Autorität war, der den Rahmen, den Standard und die Normen definiert hat, in denen die Frauen agieren konnten. Doch in diesem definierten Rahmen waren die Frauen wirtschaftlich unabhängig, waren in der Verwaltung von wirtschaftlichen Angelegenheiten involviert, waren mündig, sind gereist und kontrollierten ihr Vermögen, indem sie selbstbewusst ihre Position als mächtige Frauen im Alltag lebten und bei geschäftlichen Angelegenheiten resolut, mutig und handlungssicher waren.

Das Herrschen und Arbeiten der Frauen

Die nicht-adeligen und gewöhnlichen Arbeiterinnen wurden durch ihren Rang in ihrer jeweiligen Arbeitsgruppe und Werkstätten definiert. Die Rationen (Essensrationen wie Wein, Getreide etc., die damals den Arbeitslohn darstellten), die sie erhielten, waren von ihren Fähigkeiten und dem Verantwortungsgrad an ihren Arbeitsplätzen abhängig. Die Berufe waren nach Geschlechter eingeteilt und nach der Größe ihrer Lohn-Rationen aufgelistet.

Die Aufzeichnungen zeigen, dass einige Berufe sehr wohl von beiden Geschlechtern ausgeübt wurden und andere wiederum entweder auf männliche oder weibliche Arbeiter/innen beschränkt worden sind. Hier wurde wohl vor allem die Differenz der Körperkraft beider Geschlechter berücksichtigt. Es gab männliche und weibliche Vorgesetzte in den jeweiligen, gemischten Werkstätten, die sich durch ihre höhere Ration offensichtlich von den gewöhnlichen Arbeiter/innen unterschieden. Es gab auch Fälle, in denen die Frauen zwar in derselben Kategorie wie die Männer aufgelistet waren, aber entweder mehr oder weniger als die männlichen Kollegen verdienten. Woran das genau festgemacht wurde, ist nicht ganz ersichtlich. Weibliche Vorgesetzte und Managerinnen hatten verschiedene Titel, die vermutlich die Stufe ihrer Fähigkeiten reflektierte. Die Arbeiterinnen mit den höchsten Rängen werden in den Texten „Arashshara“ (große Leiter) genannt. Sie kommen wiederholt in den Texten vor, waren an verschiedenen Orten angestellt und leiteten große Gruppen von Frauen, Kindern und Männern, die in ihren Einheiten arbeiteten. Ihre Rationen an Wein und Getreide, die sie verdienten, ist viel höher gewesen als das, was die Arbeiter in der Einheit verdient haben – inklusive der Männer.

Interessant ist, dass die Rationen nicht nur an der Arbeit und dem Rang der Arbeiter/innen festgemacht wurden, sondern auch an der sozialen Situation, in der sie sich befanden. Junge Mütter und schwangere Frauen z.B. haben größere Rationen verdient als andere Frauen, die sich im selben Rang aufhielten, aber nicht schwanger waren oder ein Kind mitzuversorgen hatten. Dennoch wurden Söhne den Töchtern damals klar bevorzugt, was man daran erkannte, dass wenn Mütter Söhne auf die Welt brachten, die Mütter und sogar die Krankenschwestern und Ärzte der Mutter größere Rationen bekamen, als wenn eine Tochter auf die Welt gebracht wurde. Diese Extra-Rationen wurden für einen ganzen, vollen Monat geleistet. Die Mütter von Jungs haben kontinuierlich die doppelte Ration erhalten als die Mütter von Mädchen. Dennoch gibt es keine Hinweise über Kindestötung bei Mädchen, da die Geburtenrate der Jungs nur ganz leicht die Geburtenrate der Mädchen überstieg.

Der stichhaltigste Beleg, der in den Texten über die Leiterinnen und Arbeiter/innen geliefert wird, ist der bezüglich Irdabama. Irdabamas Arbeiter tauchten an den verschiedensten Orten auf. Die Größe ihres Personals reichte von kleineren Einheiten bis zu Gruppen von mehreren Hunderten Arbeitern beider Geschlechter. Sie besaß ihr eigenes Landgrundstück und ihr eigenes, privates Siegel. Das impliziert, dass sie in irgendeiner Weise entweder mit der herrschenden Königsfamilie verwandt gewesen war, oder in guter Beziehung zu dieser stand – jedoch in den Texten niemals als „adelig“ bezeichnet wurde. Sie kontrollierte eigenständig ihre Arbeiter/innen, deren Zahl beträchtlich groß war, was dafür spricht, dass sie durch ihren eigenen Fleiß und ihren eigenen Leistungen einen unabhängigen und hohen wirtschaftlichen Status erlangt hatte. An anderen Stellen der Texte werden außerdem auch andere, damals prominente, weibliche Führungskräfte mit einer großen Zahl von Arbeiter/innen erwähnt. Wir wissen nun, dass Frauen zu jener Zeit genauso viel Verantwortung als Führungskraft besaßen wie die Männer und ihr Vermögen eigenständig verwalteten und die Rationierung / Bezahlung der Arbeiter/innen selbstbestimmt vornahmen.

Leistung und Löhne

Klar ersichtlich aus den Texten ist auch, dass Kriterien bezüglich der Rationierung von „Löhnen“ (in Naturalien) sich eindeutig auf Qualifikation, Aufgaben, Beruf und Funktion der Arbeiter/innen bezogen – alles in allem aber kein Unterschied zwischen der Bezahlung zwischen weiblichen und männlichen Arbeiter/innen bestand. In den unspezialisierteren Aufgabenbereichen scheinen jedoch Männer höher bezahlt worden zu sein als Frauen. Das kann unter anderem daran liegen, dass bei anfallenden Arbeiten, in denen die Kraft dann doch eine wichtige Rolle spielte, die Männer durch ihre höhere Leistungsfähigkeit bevorzugt wurden und dementsprechend höher bezahlt wurden. Aus den Aufzeichnungen geht jedenfalls sehr deutlich hervor, dass die Relation zwischen männlichen und weiblichen Arbeitern sehr ausgeglichen war und die Frauen ein aktiver und gesunder Bestandteil des wirtschaftlichen Lebens im antiken, achaemenidischen Iran waren.

Frauen aus dem gemeinen Volk

Die Texte, die sich mit den königlichen und aristokratischen Frauen beschäftigen, geben ein sehr gut gezeichnetes Bild vom Leben der Menschen und den Verhältnissen des alten Imperiums wieder. Es werden darin nicht nur die königlichen Frauen beschrieben, sondern auch ein tiefer Einblick in das Leben jener Menschen geboten, die im königlichen Kreis als Arbeiter und Dienstmädchen- und Boten integriert waren.

Zum Beispiel erfahren wir über Artim, dem Kindermädchen für die Tochter des Königs, dass sie Miete für ihren Besitz erhält. Dann kommt in den Texten noch Madamis vor – eine andere weibliche Angestellte am königlichen Hof. Die Steuern, die sie zahlte, belegen eindeutig, dass der Besitz von Landgut nicht nur auf jene Frauen begrenzt war, die königlichen Geschlechts waren, sondern solche Eigenverwaltungen viel häufiger und verbreiteter unter den gewöhnlichen Frauen vorkamen, als einst angenommen. Solche Einblicke zeigen uns, dass es zu jener Zeit völlig normal zu sein schien, dass Frauen Unabhängigkeit und eine juristische Anerkennung hinsichtlich ihrer Gleichwertigkeit als Wirtschafterinnen und Gutsbesitzerinnen genossen, und ihr Besitz nach eigenem Ermessen verkaufen, verwalten und vermieten konnten, wie jeder andere Mann auch.

Die Rolle der Ehefrau und Mutter

Das Dokument hält die biologische Abstammung der königlichen Nachkommen fest – und vor allem auch die Bedeutung der leiblichen Mutter. Cambyses und Bardiya z.B. werden als Nachkommen vom selben Vater und derselben Mutter beschrieben. Aus dieser Andeutung geht hervor, dass es auch andere Kinder gab, die nicht die gleiche Mutter hatten. Voll- und Halbbrüder und Schwestern finden im Dokument, samt einer natürlichen Legitimität ihrer Existenz, Erwähnung. Auch andere Frauen vom König werden erwähnt, aber ihr Status ist ein anderer als der der Ehefrau des Königs. Sehr interessant ist auch die auffällige Erweiterung von familiären Begriffen, in denen auch nicht verwandte Menschen, Söhne und Töchter genannt wurden und ältere Menschen aus Respekt und Zuneigung heraus „Vater“ und „Mutter“ genannt wurden.

Die Tafeln in Persepolis legen uns drei unterschiedliche Benennungen für Frauen frei: „Mutu“, „Irti“ und „Dunksis“. Das erste Wort „Mutu“ bezog sich immer auf gewöhnliche Frauen ohne königlichen oder aristokratischen Hintergrund – die anderen zwei Benennungen bezogen sich auf Frauen mit königlichem Blut. In einem der Dokumente wird Artazostre, eine Tochter des Königs Dariush als „Mardunuya Iriti Sunki Parki“ bezeichnet, was soviel bedeutet wie „Die Frau von Mardonius, Tochter des Königs“. Die Verwendung solcher Terminologien zeigt die Bedeutung des Ehestatus einer Frau und ihrer Verwandtschaft zum König, die eben den Status u.a. ausmachte. Die königlichen Frauen werden in vielen Dokumenten bei ihren vollen Namen genannt. Artystone, die Frau von Dariush I, wird oft zusammen mit Parysatis, der Frau von Dariush II. genannt. Beide werden in vielen, neu-babylonischen Dokumenten als große Landbesitzerinnen in Persien, Medien, Babylon und Syrien genannt. Sie verpachteten ihre Ländereien an Lehngutsbesitzer, deren Pacht durch Gutsverwalter oder andere Vertreter eingesammelt wurden. Artystone hatte drei Ländereien, wie aus 38 Briefen mit ihrem persönlichen Siegel entnommen werden konnte. Die Briefe bestätigen, dass an jedem Grundbesitz eine große Anzahl von Arbeiter/innen und viele Lager für Getreide und andere Produkte vorhanden waren. Gutsverwalter nahmen direkte Befehle der Königin an und setzten sie um. In vielen Fällen hatten König und Königin dieselben Gutsverwalter, die beide – König und Königin – als Autorität anerkannten und Befehle entgegen nahmen und umsetzten – in anderen Fällen hatte jeder seine Eigenen.

Der Teil 2

Quelle: INN

8 Gedanken zu „Iranische Frauen in der Antike (1)

  1. Vielen Dank, ihr Lieben. Den Artikel habe ich vor Jahren mal geschrieben. Heute hätte ich es vermutlich besser gemacht. Freue mich, hier auch einmal etwas Kleines zu eurer wertvollen Arbeit beitragen zu können.

  2. Noch heute steckt in den meisten iranischen Frauen ein Löwe in ihren Herzen! Shir-baanu…
    Es gibt einen antiken Bericht, der zeigt wie mutig die iranischen Frauen waren:

    Im Jahre 539 v.Chr. kämpften in der Nähe von Pathragada (Pasargard) die persischen Truppen unter der Führung von Kuroshe Bozorg gegen den medischen Heerbann von König Astyages. Es war ein zäher Kampf, die Meder behielten die Oberhand und die Perser zogen sich dann zurück. Sie liefen zurück zu ihren Frauen, die sie zum Schutze auf einem Berg versteckt hielten. Als die persischen Frauen ihre zurückeilenden Männer sahen, die vor dem Feinde flohen, da hoben sie ihre Röcke und entblößten ihren Unterleib. Dabei riefen sie: „Wohin, ihr Feiglinge? Wollt ihr euch etwa wieder dorthin verkriechen, von wo ihr zur Welt gekommen seid?“
    Die nun beschämten Perser eilten zum Schlachtfeld zurück und kämpften mit solcher Verbissenheit, dass König Astyages, der sie erst als Bettlergesindel geschmäht hatte, stöhnend zugab: „diese Pimpernüssefresser sind doch verflucht tapfer!…“. Wie ihr wisst, haben die Perser bei dieser einer Schlacht den Sieg davongetragen. 2 Jahre später wurde dann ganz Medien dem jungen Perserreich einverleibt.

    Ob dieser Bericht von diesen mutigen Frauen stimmt, ist nicht ganz nachzuweisen.JEDOCH wurde es bei den Achämenidenkönigen zur Tradition allen Frauen von Pasargard, wann immer der Großkönig dorthin kam, ein Goldstück zu schenke. Selbst Alexander hat diese Tradition beibehalten!

  3. Pingback: Iranische Frauen in der Antike (2) | Online-Magazin Pârse&Pârse پارسه و پارسه

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