Der verlorene Krieg – Afghanistans steiniger Weg zum Frieden

Eine Analyse von Ardašir Pârse

Seit dem Beginn des “arabischen Frühlings“ haben wir wenig von den Taliban in Afghanistan gehört, die von 1996, bis zur US-geführten Invasion im Jahre 2001, Afghanistan beherrschten, seit sie Nadjibullahs sowjetisch-afghanische Regierung stürzten und Najibullah ermordeten. Die Taliban waren bekannt dafür,  ein Zufluchtsort für al Qaida und seinem einstigen Führer Osama bin Laden gewesen zu sein und ebenso für ihre strenge Auslegung des islamischen Rechts, unter dem sie Menschen hingerichtet haben und Frauen verboten haben Bildung zu genießen und ihnen die primitivsten Rechte vorenthalten haben. Gerne führen sie öffentliche Hinrichtungen durch, die das Volk psychisch zerstören.

Afghanistan, die neue Ost-West Grenze

Das ist eine Seite der Medaille, doch es gibt noch eine andere Seite: Hier in Afghanistan und Pakistan, hier in Zentralasien, verläuft heute nach dem Mauerfall die neue Ost-West Grenze, die Nahtstelle zwischen dem Westen und der neuen Supermacht China, der sein militärisches Zentrum über das ehemalige Jugoslawien und dem Irak nach Afghanistan und Pakistan verlagert hat. Hier treffen die großen Mächte zusammen: Russland, USA und die NATO, China, Indien und die Regionalmächte Iran, Saudi Arabien, Tadschikistan und Kasachstan. Jeder hat hier seine eigenen Interessen.  Fast in der Mitte die afghanische Hauptstadt Kabul mit heute, einer Art inoffiziellem Multimächtestatus. Neben der gemeinsamen Grenze Afghanistans mit China, von ca. 75 km, verbindet die Länder das größte Wirtschaftsprojekt Afghanistans: Anyak. Die größte Kupferlagerstätte des Landes mit geschätzten 13 Millionen Tonnen Kupfer wurde zunächst in den 70ígern des vergangenen Jahrhunderts von den Sowjets kartographiert, dann übernahmen britische Firmen nach dem Afghanistan Krieg die weitere Entwicklung. Den Zuschlag sollten wohl mehrheitlich US, britische und indische Firmen erhalten. Den Zuschlag bekam 2007 jedoch China. Verantwortlich in Kabul war, Hamid Karzai, der Weggefährte und Freund George W. Bushs, der Mann, den der Westen unmittelbar danach der Korruption und des Wahlbetruges  beschuldigt hatte. Investitionsvolumen übrigens: 3,5 MRD. $, geschätzte Ausbeute: 88 MRD. $: Die Briten beschwerten sich darüber, dass China 1 MRD. $ mehr geboten hatte als sie selbst, doch ohne Erfolg.  Mit großem Misstrauen wird vor allem die Ambition Chinas beobachtet, die Westhälfte Chinas zu entwickeln, nachdem man in den Küstenstädten im Osten viel erreicht hatte.  Die unterentwickelteren Gebiete sollen dann mit Afghanistan und Pakistan vernetzt werden. Im Westen hat man dies sehr wohl wahrgenommen.

Großbritannien hatte  Millionen britische Pfund in die Suche nach „gemäßigten Taliban“ investiert: Die Taliban wurden von den USA aus Afghanistan hinaus nach Pakistan in die SWAT Gebiete hinein, und wieder zurück gebombt. Die USA hielten hier jedoch nicht an, sondern bombardierten ständig weiter. Täglich  flogen US-Drohnen in die SWAT Gebiete und bekämpften die Taliban weiter. Die pakistanische Armee wurde gedrängt, in verschiedenen Landesabschnitten gegen die ehemaligen chinesisch-pakistanisch unterstützten Taliban nun im eigenen Land zu kämpfen. Nur widerwillig und gegen Zahlung von Dollars gehorchte die pakistanische Armee, deren Chef,  General Kyani war. Die Destabilisierung in Pakistan führte zu einer unruhigen Grenze in Richtung China und auch zu einer Schwächung der pakistanischen Armee und des chinesischen Einflusses. Man könnte sagen: der Spieß wurde nun von den USA umgedreht. Während sich die NATO anfangs, in gewisser Weise, gegen die Taliban wehrte, führte sie nun einen aggressiven Krieg in Pakistan, um Tatsachen zu schaffen. Die pakistanische Armee wurde dann ständig auf Druck der USA von Einsatz zu Einsatz gehetzt, völlig überstrapaziert und massiv geschwächt, denn Pakistan ist geographisch ein großes Land. Dennoch muss man davon ausgehen, dass China, selbst Jahre nach dem Rauswurf Musharrafs, noch heute einen gewaltigen Einfluss in Pakistan hat.

Was übrigens „gemäßigte“ Taliban sind, kann bis heute niemand beantworten. Während sich die ganze „Freie Welt“ noch vor nicht allzu langer Zeit darüber aufregte, dass Pakistan nichts gegen die  Taliban in Pakistan unternehmen würde, wo doch die Frauen ständig misshandelt würden, entdeckte eben diese „Freie Welt“ ihr Herz für „gemäßigte“, mit dem Westen kooperierende Taliban in Afghanistan. Und warum man im Westen der Ansicht ist, wenige Tausend radikale Taliban und ihre vielleicht 25.000 Sympathisanten seien Grund genug ihnen ganze Landstriche  zu überlassen, kann sich niemand so recht erklären. Das wäre so, als ob man wegen ein paar Tausend deutschen Neonazis ihnen die Länder Niedersachsen, Sachsen und Brandenburg übergeben würde, und dazu noch ein paar Ministerämter in Berlin, weil es nicht anders geht und das obwohl überall nachzulesen ist, dass die Taliban von den Afghanen überwiegend abgelehnt werden, ihr Ursprung pakistanisch und nicht afghanisch ist und die Taliban mit Sicherheit eine der rückständigsten Gruppierungen der Welt sind.

Der lange Weg zum Frieden

Zwischenzeitlich war etwas Frieden in die Beziehungen zwischen Hamid Karzai und dem Westen, nach den Wahlbetrugs- und Korruptionsvorwürfen in Folge des Kupferminendeals mit China eingetreten: Hamid Karzai bemüht sich nämlich schon seit geraumer Zeit um Gespräche mit den Taliban – auf Anraten der „britischen Freunde“. Obwohl die Taliban in Afghanistan zunächst entmachtet wurden, bleibt ihre Organisation elastisch in der Region und betreibt parallele Governance-Strukturen zur Unterwanderung der US-gestützten Zentralregierung unter Hamid Karzai. Pakistans Unterstützung und seine sicheren Häfen für die Taliban, haben die internationalen Bemühungen im Kampf um Afghanistan scheitern lassen; die Internationale Gemeinschaft hat den Krieg in Afghanistan verloren, daran kann kein Zweifel mehr bestehen; die Vereinigten Staaten werden nun  ihre Kampftruppen aus Afghanistan bis 2014 abziehen. Seit 2010 und davor, schon seitdem man die Taliban zu „gemäßigten Taliban“ erklärt hat, gibt es Gespräche zwischen der Zentralregierung in Kabul und den Taliban, um den Konflikt in Afghanistan zu lösen. Die Aussichten aber, für eine solche Lösung bleiben unsicher und mit Besorgnis blicken viele auf die Zukunft von Minderheiten und den Frauenrechten in Afghanistan.

Während die Aufstockung der US-Truppen im Jahre 2010, die Schlagkraft der afghanischen Sicherheitskräfte deutlich verbessert hatte, so war den US-Militärs klar, dass die Verbesserung der erzielten Sicherheit „zerbrechlich und umkehrbar“ ist. Ein Bericht der in London ansässigen International Council on Security and Developement (ICOS) stellte fest, dass die Taliban ihre Taktik an diese Gegebenheiten angepasst haben: „Die Taliban vermeiden nun direkte Feuergefechte und Angriffe auf die NATO-ISAF und konzentrieren sich auf die gezielte Tötung durch das Bombenlegen am Straßenrand.“, so der Bericht. Morde an hochrangigen afghanischen Beamten, sagen Experten, ist die Taktik der Taliban, um afghanische Zivilisten einzuschüchtern und erodiert das Vertrauen der Öffentlichkeit in die afghanischen Sicherheitskräfte. In ihrem Bericht an den amerikanischen Kongress im September 2011, zitiert das Weiße Haus die Umfragen, die zeigen, dass nur 33 % der Afghanen, die Sicherheit in ihren Gemeinden als gut bezeichnen, während es im Jahr 2010 noch 50 % der afghanischen Bevölkerung waren. Die Taliban suchen Unterstützung der afghanischen Nationalisten im Süden des Landes und die Internationale Gemeinschaft konnte ihre militärischen Gewinne nicht mit ebenso robusten Anstrengungen in die Entwicklung des Regierungsapparates koppeln. Die begangenen Kriegsverbrechen von Teilen der ISAF Truppen haben sich sicher sehr schädlich auf die westliche Verhandlungsposition ausgewirkt.

Die Auswirkungen dieses Konflikts sind chronische Armut, Arbeitslosigkeit und Korruption und daher haben die Taliban es einfach die Bevölkerung zu manipulieren, stellte eine Studie im Mai 2011 der ICOS fest. Fast 42 % der Bevölkerung im Süden Afghanistans sehen die Zusammenarbeit mit den Taliban als richtig an und die Propaganda der Taliban manipuliert erfolgreich die öffentliche Meinung: „Die ausländischen Truppen und die von den USA eingesetzte afghanische Regierung unter Hamid Karzai sei die größte Bedrohung für die physische Sicherheit im Land“. Für ihre Propaganda nutzen die Taliban modernste Technologie wie Twitter und SMS, um mit den Medien zu kommunizieren, sie betreiben einen geheimen Radiosender „Voice of Shariat“ und veröffentlichen Videos. Die neuen UN-Resolutionen aus dem Jahre 2011 zu Gunsten der Taliban spalten die Taliban und al Qaida. Seit 2003 gibt es Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft, die Taliban in der unteren und mittleren Ebene zu entwaffnen und ihnen im Gegenzug Anreize und Arbeitsplätze zu geben, um sie in den afghanischen Staat zu integrieren. Diese Anstrengungen hatten aber nur begrenzten Erfolg, da viele der dafür zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel im Sumpf der Korruption des afghanischen Staates unter der Regierung von Hamid Karzai verschwunden sind und die Adressaten nicht erreichten, die nun den Weg zurück zu den Taliban suchten. Seit 2010 strebt Washington eine Verhandlungslösung  mit den Top-Taliban-Führern an, damit sie ihre Verbindungen zu al Qaida kappen, aber die Gespräche haben mehrere Rückschläge erlitten, zuletzt im September 2011, als der Chefunterhändler der afghanischen Regierung, Burhanuddin Rabanni ermordet wurde. Auch die Sorge um die Rechte der Frauen in Afghanistan, spielt eine maßgebliche Rolle, in einem sich erst entwickelnden Versöhnungsprozess.

Einige Analysten glauben, dass der Tod von Osama bin Laden diesen Versöhnungsprozess eingeleitet haben könnte, doch ist es ungewiss, ob die Taliban wirklich mit al Qaida brechen werden. Im August 2011, bestätigte Mullah Omar, Gespräche der Taliban mit Washington, wenn auch nur über den Gefangenenaustausch gesprochen wurde. Siraj Haqqani, ein wichtiger Taliban-Führer sagte der BBC, dass seine Taliban-Kämpfer keine Gespräche Mullah Omars unterstützen. Heimlich trafen sich US-Beamte mit führenden Mitgliedern des Haqqani-Netzwerkes (WSJ) im Sommer 2011, um sie in Gespräche zu involvieren. Experten jedoch warnen vor einem Deal mit Haqqanis Netzwerk, denn sie gehören zu denjenigen, die glauben, dass solange sie Geldgeber in Pakistan haben und Pakistan ihnen ein sicherer Hafen ist, sie geneigt sind, ein langes Spiel mit den Vereinigten Staaten zu spielen. Vergangenen Monat sagte der afghanische Präsident Hamid Karzai (CNN), „dass nicht die Taliban an den Friedensgesprächen in Kabul teilnehmen sollten, sondern Pakistan“; das bedeutet, dass Pakistan sich mit der obersten Taliban-Führung ins Bett gelegt hat.