„Arabischer Winter“: Ägyptens bittere Ernte

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Eine Analyse von Fartâb und Ardašir Pârse

Es war keine Überraschung, dass die Islamisten in Ägypten die Wahl gewonnen haben. Überraschend war aber für viele, dass die radikal-islamischen Salafisten [السلفية], heute die zweit stärkste Kraft des Landes sind. Im neuen ägyptischen Parlament sitzen nun mehrheitlich Islamisten, eine Gruppe radikaler als die Andere. Die radikal-islamischen Muslimbrüder, der Wolf im Schafspelz [الإخوان المسلمون] geben sich gemäßigt, die Salafisten der Al-Nour-Partei (Partei des Lichts) [حزب النور] aber plädieren offen für einen Staat, indem nur der Islam das Alltagsleben der Menschen bestimmt. Beide Parteien wollen die Einführung der Scharia und klare Konzepte für das krisengeschüttelte Land am Nil hat keine der beiden Parteien. Die „Al-Nour“-Partei aus dem Lager der Salafisten erhielt bei den Wahlen 24,4 Prozent der Stimmen und damit 123 der insgesamt 489 Sitze. Wie konnten sie zweit größte Kraft des Landes werden und wie ist der Erfolg der Muslimbrüder zu erklären?

Die Wahlen in Ägypten

Die liberalen und demokratischen Strömungen wurden schon vor den Wahlen in ihrer Entfaltung behindert. Die traditionsreiche liberale Wafd-Partei [حزب الوفد] belegt mit 7,1 Prozent der Stimmen laut Wahlkommission den dritten Platz und sicherte sich 36 Sitze, gefolgt von der neuen liberalen „Ägyptischen Allianz“ von Multimillionär Naguib Sawiris [نجيب ساويرس] mit 33 Sitzen. Die Facebook-Jugend [شباب الفيس بوك] (Šabâb Al-Feysbuk) aber, die am 25. Januar 2011 die Massenproteste gegen Mubarak initiiert und seinen Sturz herbeigeführt hatte, spielt im neuen Parlament mit nur sieben Mandaten so gut wie keine Rolle. Wenn es um die Einführung des islamischen Rechts, der Scharia geht, sind die Salafisten noch kompromissloser als die Muslimbrüder. Die Salafisten sind kaum zu unterscheiden von den saudischen Wahhabiten [الوهابية] und deren strenger Auslegung des Islam. Die salafistische Bewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts ist nichts anderes als ein Vorläufer des Islamismus im Sinne einer politischen Ideologie, die schon immer einen islamischen Staat errichten wollte.

Noch in den Anfängen der Revolution bezeichneten die Salafisten die Demokratie als eine Gotteslästerung und eine Beteiligung an Wahlen als unislamisch. Demonstrationen, sagten sie,  seien ein Akt des Teufels, weil sie zu einem Zerwürfnis und einer Unruhe innerhalb der Umma [‎‏الأمة الإسلامية], der muslimischen Gemeinschaft,  sorgen würden. Die Herrschaftstreue im sunnitischen Islam hat eine lange Tradition, um Unruhen und Bürgerkriege zu vermeiden.  Diese Regimetreue hat sich in der Umma bewährt, deshalb kam  es im sunnitischen Machtbereich nie zu Revolutionen, die islamisch motiviert waren. Anders im schiitischen Islam, wo die Schia aus einer Revolution heraus geboren wurde. Als Mitte  Januar des vergangenen Jahres, die jungen Aktivisten zur Revolution aufriefen, bezeichnete der Pressesprecher der Salafisten die Facebook-Jugend als Kollaborateure des Westens, die ferngesteuert sind und sagte, dass die westlichen Staaten versuchen würden Ägypten in Schutt und Asche zu legen. Doch gerade die Salafisten sind es die Ägypten in Schutt und Asche legen wollen. Sie werden von Saudi Arabien unterstützt, allein im vergangen Jahr unterstützte Saudi Arabien ihren Wahlkampf mit 4 Mrd. USD und finanzierten ihre Wahlkampfkampagnen und Videoauftritte, während die Muslimbrüder vom amerikanischen CIA und dem britischem MI6 finanziert werden. Auch die Unterstützung der Salafisten durch Saudi Arabien, dem neben Israel wichtigsten Verbündeten der USA in der Region bedeutet im Wesentlichen: Unterstützung durch die USA. Beide Parteien haben viele Stimmen gekauft. Nicht jeder, der für die Salafisten gestimmt hatte, unterstützt diese Ideologie, es sind vor allem arme Menschen, mehr als 40% der Ägypter sind arbeitslos und leben unter der Armutsgrenze. Ihre Wählerstimmen wurden mit Lebensmittel und auch kleinen finanziellen Zuwendungen von 50 ägyptischen Pfund (8 €) gekauft. Diese Menschen verstehen nicht, dass das Interesse der Salafisten nur sein kann sie arm zu halten, damit sie ihre Stimmen bei der nächsten Wahl wieder  mit Kleinigkeiten erkaufen können.

Noch am 24. Januar 2011 erklärten die Salafisten, dass sie sich nicht an der Revolution beteiligen werden, um Blutvergießen zu vermeiden. Genau diejenigen, die nichts für die Revolution getan haben, profilieren sich heute und übernehmen wesentliche Teile der Macht. Dieses Wahlergebnis ist das Ergebnis von jahrzehntelanger Diktatur, die das Land intellektuell und wirtschaftlich heruntergewirtschaftet hat, es durften keine demokratischen Parteien frei arbeiten. Nur die Islamisten, die sich nicht in der verbotenen Muslimbruderschaft organisiert hatten, durften schon unter Mubarak sichtbar bleiben, sowohl nach innen als auch nach außen. Der Westen sollte Mubarak unterstützen, denn sonst kämen die Islamisten an die Macht, drohte er und innenpolitisch konnte er damit Folter und Ausnahmezustand im Namen der Sicherheit rechtfertigen. Die berühmteste Lehrstätte des Islam in Kairo, die Al-Azhar Universität [جامعة الأزهر] warnte vor der Revolution, denn Revolution bringe keine Befreiung sondern nur Chaos, sagten sie. Hätten die Salafisten in den Vierteln der Armen über eine ebenso straff strukturierte Organisation wie die Moslembrüder verfügt, hätten sie vermutlich noch weit mehr Stimmen erhalten. Ähnlich wie bei den Moslembrüdern wurden auch bei den Salafisten zudem immer wieder Fälle bekannt, in denen Moscheen für den Wahlkampf genutzt wurden.

Ägyptens düstere Zukunft

Das US-Institut „Pew Research“ lieferte schockierende Umfrageergebnisse: In einer Umfrage sprachen sich vor einem Jahr 82% der Ägypter für Steinigung bei Ehebruch aus, das ist mehr als in jedem anderen islamisch dominierten Land. Sogar 84% wären für die Verhängung der Todesstrafe bei Apostasie.

Mohammed Nour, der Salafisten sagte: „Es gibt keine puren Liberalen. Und es gibt auch keine strengen Muslime in Ägypten. Wir sind alle Ägypter und wir sind alle religiös. Auch die Nicht-Muslime. Alle sind sich einig mit der Scharia.“ Unlängst erklärte ein bekannter ägyptischer Salafist Abdel Monem al Shahat: „Er wolle, dass der Alkoholausschank in Hotels verboten wird, genauso das gemeinsame Badevergnügen von Frauen und Männern.“ Mohammed Nour plädierte für nach Geschlechtern getrennte Strände. Nach jüngsten Meldungen wurde bekannt, dass bärtige Männer, als selbsternannte Religionspolizisten aus dem Umfeld der Salafisten, in Friseursalons und Geschäften aufgetaucht seien, um gegen angeblich „unislamische“ Umtriebe zu protestieren. Typisch für alle Islamisten ist die Verschmähung vorislamischer Kultur, wie wir sie auch aus dem Iran kennen. Der Führer der Salafisten möchte die pharaonischen Statuen verschleiern lassen, weil sie Götzenbilder seien, die Pharaonenkultur sei eine verrottete Kultur, sagte der Führer der Salafisten, er nannte es eine schmutzige Kultur, und beleidigte damit das kulturelle Erbe Ägyptens. All diese Aussagen führen zu einer großen Verunsicherung von Frauen, Kopten, Liberalen der Facebook-Jugend und 16 Mio. Menschen, die vom Tourismus leben.

Eine Koalition der Muslimbrüder mit den Salafisten wäre für die Muslimbrüder politischer Selbstmord, denn in religiösen Fragen sind die Salafisten kompetenter und noch radikaler. Die Muslimbrüder  wissen, dass sie die Erwartungen der jungen Menschen erfüllen müssen, wenn sie in der politischen Verantwortung stehen. Sie hatten viel Werbung gemacht für ein besseres Leben in Ägypten und sie wissen, dass wenn sie in der Regierungverantwortung stehen und ihre Versprechungen nicht halten an Popularität einbüßen werden. Bei einer  Koalition der Muslimbrüder mit den Salafisten, gibt es sicher Badeverbote, keine Bankzinsen, und ein striktes Alkoholverbot. Der wirtschaftliche Zusammenbruch ist vorprogrammiert. Ägypten ist auf den Westen angewiesen, 30% der Arbeitsplätze liegen im Tourismus, daneben lebte man von ausländischen Investitionen, dem Suezkanal und vom Agrarexport.  Wenn hier eine Einnahmequelle ausfällt bricht das Land zusammen.

Auch Saudi Arabien kann Ägypten nicht finanzieren. Die Arbeitslosigkeit in Saudi Arabien beträgt ebenfalls 40%. Man nimmt lieber ausländische billigere Arbeitskräfte aus Asien und nicht jedes Wachstum bedeutet mehr Arbeitsplätze. Man fürchtet auch in Saudi Arabien, dass der „arabische Frühling“ dort ankommen wird. Jemen und Bahrain hatte der arabische Frühling schon erfasst und es war das Herrscherhaus in Saudi Arabien, das den „arabischen Frühling“ in Bahrain aus Angst niederschlug, er könnte auf Saudi Arabien übergreifen. Die Politik der westlichen Welt hielt sich damals zurück, um seinen wichtigsten Verbündeten am Persischen Golf nicht zu verärgern. Saudi Arabien ist das gefährlichste Land der Region, verglichen mit der Aufrüstung Irans ist Saudi Arabien ein Monster:  Vor zwei Jahren gab es einen Waffendeal zwischen Amerika und Saudi Arabien von über 60 Mrd. USD. Vor wenigen Wochen wurde ein weiterer Waffendeal in Höhe von 23 Mrd. USD durchgeführt. Und Saudi Arabien investiert unglaublich viel Geld für seine radikale wahhabitische Ideologie überall in der arabischen Welt, überall in der islamischen Welt, aber auch in Europa und Nordamerika. Saudi Arabien führt eine massive Konterrevolution gegen die Demokratiebewegungen in Tunesien, in Ägypten und in Marokko.

Es wird in Ägypten vielleicht zu einem Bündnis zwischen dem Militärrat, der gerade mehr Macht in der Verfassung forderte, den Islamisten und Saudi Arabien kommen. In drei vier Monaten wird die Staatspleite Ägypten erfassen und man wird dort griechische Verhältnisse erleben. Momentan lebt man von Fremdwährungsreserven. Wer soll das Land mit 85 Mio. Menschen retten? Ein Bündnis, in dem der Militärrat mehr Macht bekommt, heißt, eine Verfassung, die nichts anderes als ein Korsett ist, ein sehr sehr enges Korsett ist, aus dem Ägypten sich nie wieder befreien kann; eine Verfassung, die dem Militärrat absolute Macht gibt, eine Verfassung, die die Scharia verankert und die islamischen Gesetze, eine Verfassung, die die Bedürfnisse der jungen Menschen, die diese Revolution entfesselt haben und die diese Veränderung erst ermöglicht haben, außer Acht lässt. Und das könnte natürlich fatale Konsequenzen für das Land, für die Minderheiten, für die Frauen aber auch natürlich für die junge revolutionäre Bewegung, die nicht ausgestorben ist, haben. Die jungen Menschen gehen nach wie vor auf dem Tahrir-Platz, demonstrieren für mehr Freiheit und mehr Rechte und einige von ihnen haben schon angekündigt, „wir bleiben nicht ewig friedlich“. Was bedeutet das? Während die ganze Welt sich vor dem radikalen Islam und vor den Terroristen ängstigt, kann in Ägypten vom linken Lager und liberalen Lager ein ägyptischer Terrorismus entstehen, wenn der Militärrat sich mit den Islamisten zusammenschließt.

Die Muslimbrüder können ein solches Bündnis zumindest nicht langfristig eingehen; sie wären besser beraten mit Liberalen und linken Kräften zu koalieren, um die Macht des Militärs zu beschränken, aber auch die Macht der Salafisten. Die Muslimbrüder selbst haben keine Ökonomen, keine Diplomaten, keine Tourismusexperten, d. h., sie können allein die Regierungsaufgaben nicht erfüllen, und aus diesem Grund haben sie im Laufe der Übergangszeit bis jetzt mehr als 7 Mal die Ministerämter abgelehnt, denn sie haben keine Adäquat-Politiker dafür. Vielleicht werden sie aus purem Pragmatismus, aber auch Opportunismus mehr Einfluss auf die Verfassung haben wollen, sich aber nicht in Szene setzen, noch nicht, und werden die wichtigsten Regierungsämter vielleicht unabhängigen Persönlichkeiten, die mehr oder minder liberal oder links orientiert sind überlassen. Fest steht auch, dass künftig ein härterer politischer Kurs gegen Israel gefahren werden wird.

Die Revolution in Ägypten hat sicher den Boden der ägyptischen Gesellschaft gepflügt und jetzt kommt hervor, was unter diesem Boden versteckt war. Es kommen nicht nur die dunklen Seiten der Gesellschaft zum Vorschein, sondern auch die positiven Seiten der Gesellschaft, die Kreativität und die positive Energie der jungen Menschen. Eine neue Debattenkultur ist gerade entstanden; die Menschen verhandeln, hadern miteinander; nicht jeder ist per se Islamist, der für die Islamisten gestimmt hat, sondern es sind Menschen, die nach Alternativen suchen und diese Alternative noch nicht gefunden haben. Viele neue Parteien wurden gegründet, es gibt mittlerweile 55 Parteien in Ägypten, das war vor zwei Jahren unvorstellbar und viele Frauen wagen es heute sich in Szene zu setzen und für ihre Rechte zu kämpfen.

Aber, diese junge Generation, die diese Revolution entfesselt hat, braucht Strukturen und ein Fairplay. Es ist schon unglaublich, dass die Amerikaner ihrerseits den Militärrat unterstützen, die Saudis die Salafisten und Qatar, der CIA und das britische MI6 die Muslimbrüder unterstützen und diese junge säkulare Bewegung, die wirklich die Öffnung des Landes anstrebt, auf sich allein gestellt ist, ohne Waffen und ohne Geld und daher im vornherein zum Scheitern verurteilt waren.  Und deshalb halte ich diese Aufrufe im Westen, nicht zu intervenieren, sich nicht daran zu beteiligen, die Araber müssen ihre Probleme allein lösen, für Heuchelei, wenn man ihre Gegner mit großen finanziellen Zuwendungen unterstützt. Es sollte niemand finanziell unterstützt werden, damit das Land ohne ausländischen Einfluss seinen „ägyptischen Weg“ finden kann. Das ist keine Neutralität, weil der Westen nach wie vor diese Allianzen mit den Islamisten und Diktatoren dieser Welt pflegt, weil Waffengeschäfte nach wie vor laufen, mitten in diesem arabischen Frühling.

Saudi Arabien, hatte mit deutschen Panzern, damals die Revolte in Bahrain unterdrückt. Da kam eine neue Lieferung von weiteren 200 Panzern nach Saudi Arabien und der Aufschrei in Deutschland ließ lange auf sich warten. Es gibt Firmen, die mit diesen Panzern in der arabischen Welt sogar Werbung machen mit Slogans wie: „Besonders geeignet für die Zerschlagung von Massenprotesten“! Das ist eine Situation, die zeigt, dass Ägypten nicht einfach nur weit weg ist, sondern dass was dort geschieht, etwas mit uns zu tun hat. Wenn Menschen, die für Freiheit demonstrieren, mit deutschen Panzern umgebracht werden, dann hat das mit uns ganz sicherlich was zu tun! Wenn der Militärrat von Amerika unterstützt wird, die Muslimbrüder vom CIA und damit auch von Amerika und vom britischen MI6, dann hat das auch bald mit uns etwas zu tun! Die erste Hilfslieferung, die Ägypten nach der Revolution vom Ausland bekommen hat, war eine Ladung Tränengas aus den USA! Unbegreiflich! Was hier hinter den Kulissen der Weltöffentlichkeit geschieht, hat zu tun mit der Umgestaltung des Nahen und Mittleren Ostens. Es hat auch zu tun damit, dass der Westen absichtlich radikal-islamische Gruppen fördert und an die Macht bringt, damit das Land in einem Bürgerkrieg endet und destabilisiert wird, so wie es im Bernard-Lewis-Plan für den gesamten Nahen und Mittleren Osten vorgesehen ist.

Ein Clip Hochgeladen von Aljazeera Channel am 21.11.2011

29 Gedanken zu „„Arabischer Winter“: Ägyptens bittere Ernte

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  2. Aber, diese junge Generation, die diese Revolution entfesselt hat, braucht Strukturen und ein Fairplay. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Da kommen jetzt diese arabischen Staaten an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Machbarkeit, und zwar wegen der Überbevölkerung, die in den meisten der islamischen Staaten grassiert und auch von der islamischen Ideologie her so gewollt ist. Da haben islamische Regeln ihre Auswirkungen, seien es Polygamie oder Kinderehe sowie Zwangsheiraten begünstigen diesen Faktor.
    Sowohl private als auch islamischgesellschaftliche Gründe sind es, warum auch heute noch in vielen islamischen Ländern Kinderehen praktiziert werden: 1. privater Grund: die Ehre der Eltern durch Frühverheiratung des Mädchens sichern aus Imagegründen, 2. privater Grund; möglichst früher Geschäftsabschluss für die Eltern durch Bezahlung der Morgengabe, 1. gesellschaftlicher Ummagrund: die erwünschte Steigerung der Kinderanzahl und 2. islamgesellschaftlicher Ummagrund: durch Überbevölkerung den Dschihad erfolgreich machen. Viele junge Menschen, besonders junge Männer bleiben auf der Strecke. Sie finden keine Arbeit, erwirtschaften nichts, kommen auf radikale Gedanken, werden von den Salafisten und Muslimbrüdern aufgefangen und werden so möglicherweise auf den Dschihad vorbereitet. Menschenrechte werden noch stärker auf der Strecke bleiben.

    Da kommen dann möglicherweise zwei Interessen zusammen: a) die Destabilisierung, die durch den Westen wohl gewollt und, wenn ich mir Libyen anschaue, auch inszeniert wird und b) das islamische Interesse, dschihadmäßig aufzutreten zu wollen. Zusammen ergibt dies eine explosive Mischung, die möglicherweise im Chaos enden wird.

    Wenn aber Umfragen in Ägypten zu solchen Ergebnissen führen: „In einer Umfrage sprachen sich vor einem Jahr 82% der Ägypter für Steinigung bei Ehebruch aus, das ist mehr als in jedem anderen islamisch dominierten Land. Sogar 84% wären für die Verhängung der Todesstrafe bei Apostasie.“, dann scheint der Islamismus im Großteil der Bevölkerung wohl etabliert zu sein. Dann ist nicht jeder ein Islamist, jedoch, wenn ich von 80 % ausgehe, die diese Einstellungen in sich tragen, wohl jedoch 80 von Hundert. Wenn die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung so denkt, denkt sie auch die Minderwertigkeit von Kopten und Andersgläubigen. Da wollen wir uns mal nichts vormachen.

    Die wirtschaftliche Entwicklung kann nur bergab zeigen. Europa hat zuwenig Nachwuchs, die islamischen Staaten erheblich zuviel. Die massenweise Immigration führt nur zu einem Bevölkerungsaustausch und zieht die europäischen Staaten wirtschaftlich mit hinunter. Die islamischen Staaten kommen jedoch so schnell nicht aus dem wirtschaftlichen Dilemma heraus.

    Ich glaube, dass ich nicht zu pessimistisch bin, wenn ich schon fast daran glaube, dass im Nahen Osten sich ein Dritter Weltkrieg anbahnen könnte. Die „Pulverfasssituation“ wird immer bedrohlicher, nicht nur für Israel, sondern auch für die einzelnen islamischen Staaten. Den einzigen Zusammenhalt finden sie in der Gegnerschaft zu Israel und den USA. Das kann böse enden.

    • Verehrter Bazillus, schön Dich wieder zu lesen. Du hast sehr wohl Recht, wenn Du schreibst, dass sich schon einen dritten Weltkrieg aufbraut! Wenn wir die beiden 1. und 2. Weltkriege analysieren, kommen wir zu zwei Ergebnisse! 1- Der Anlass zu beiden Kriegen waren eher die Tropfen, die das Maß zum Überfließen brachten! 2- Nach Beendigung jedes Krieges wurden Reiche runter gegangen und neue Grenzen gesetzt!

  3. Danke für euren Artikel. Glaubt ihr mir, wenn ich euch sage, dass viele junge Ägypter hier im Ausland überhaupt nichts über die Geschehnisse und Zusammenhänge vor und nach der Revolution wissen? Als der „arabische Frühling“ eingeleitet wurde, stand ich der Sache so skeptisch gegenüber, dass man mir von den Arabern, Ägyptern etc. Neid und Missgunst vorwarf. Ich konnte das gar nicht fassen, denn ich habe nur wiederholt: „Seht ihr die Parallelen zu 1979 nicht? Seht ihr nicht, dass es mehr als ungewöhnlich ist, dass ihr in den Medien heroisiert werdet und die Iraner 2009 fast gar nicht erwähnt worden sind oder ihre Zahl auf der Straße auf ein paar Tausende heruntergebrochen wurde?“ … Niemand wollte irgendetwas wissen. Heute sitzen die dreckigen Fundamentalisten – ob nun Muslimbrüder oder Salafisten – im Parlament und entscheiden über dieses Land. Um die Jugend tut es mir sehr Leid. Nicht alle, aber doch sehr viele, waren für ein offeneres Ägypten. Sie wollten eine Veränderung, aber keinen eklatanten Rückschritt.

    Andererseits frage ich mich: Können diese Salafisten und Muslimbrüder es sich denn wirklich leisten auf die Tourismuseinnahmen zu verzichten? Wenn das Volk jetzt noch mehr hungern muss, dann wird es doch auf jeden Fall zu Kämpfen kommen.

    • „Wenn das Volk jetzt noch mehr hungern muss, dann wird es doch auf jeden Fall zu Kämpfen kommen.“

      das ist ja das, was bezweckt wird: Destabilisierung. Der Shah hatte Parteien, die vom Ausland finanziert sind, verboten und das voellig zu Recht und dann war er der brutale Diktator. Wenn Parteien vom Ausland finanziert werden, vertreten sie natuerlich auch die Interessen ihrer Sponsoren, viele begreifen das nicht und das ist unbegreiflich.

        • Das Problem der Finanzierung von Parteien ist generell gewaltig, ganz egal ob das Teile der Wirtschaft eines Landes tun oder fremde Staaten, was noch schlimmer ist. Aber sagen Sie mir woher die Gruenen ihr Geld haben? Damit habe ich mich noch nicht beschaeftigt.

          • das war ne rhetorische Frage, Ardashir,

            Interessen der deutschen Bürger werden jedenfalls NICHT von dieser Partei vertreten.
            Leute die im Umweltschutz UND bei den Grünen tätig sind werden sehr schnell merken dass der Lobbyismus der gewisse „GRÜNE“ Branchen betrifft dort noch
            schmlimmer ist als anderswo

    • Sherry jân, die Veränderungen in den arabischen Ländern erinnern einen tatsächlich an die 1979ger Revolte in Iran und damals gab es auch eine Strömung, die nur Reformen wollte und keine Revolution, sie wurden aber auch schnell zu Beginn des Siegs entweder eliminiert oder mundtot gemacht! Ich denke, dass diese Länder erst unsere Erfahrung von vor 33 Jahren machen müssen, obwohl sie uns vor den Augen haben!

      Übrigens, wir werden auch andauernd attackiert und beschimpft, weil wir die Wahrheit schreiben.

  4. „Die Herrschaftstreue im sunnitischen Islam hat eine lange Tradition, um Unruhen und Bürgerkriege zu vermeiden. Diese Regimetreue hat sich in der Umma bewährt, deshalb kam es im sunnitischen Machtbereich nie zu Revolutionen, die islamisch motiviert waren.“

    Es ist halt nun mal eine islamische Reichsideologie die letztendlich in ein weltweites Kalifat führen soll. Da der Kalif weltlicher und geistlicher Gesetzgeber gleichermaßen ist kann man hier nicht mehr von Religion sprechen.
    In dieser Sichtweise kann man sogar den Schiiten rechtgeben. Soweit ich weiß gibt es im Iran auch nicht wenige Schiiten im Klerus die das Khomeini-Konzept als unislamisch ablehnen weil es die Herrschaft des Mahdi vorwegnimmt. Khomeini, dieser weltliche Scheitan 🙂

    • Mein Prinz, in der Tat gibt es schiitischen Kleriker, die sehr gegen dieses Regime sind, und sie sind meistens entweder im Gefängnis oder unter ständigen Überwachung.

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  6. Gerade habe ich davon erfahren. Kann es sein, dass die Frustration der jungen Ägypter so ausbricht, wie noch nie:

    http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/port-said-mehr-als-70-tote-bei-gewalt-nach-fussballspiel-in-aegypten-11634708.html

    Kurz nachdem das Spiel zu Ende war! Der Moderator hier ist völlig außer sich und sagt ständig, es ist gegen jede Vernunft! Was machen diese Menschen da! Schaut her, wie sie aufgebracht ins Spielfeld rennen! Unmöglich!

  7. Quelle: Kairo (dpa/sal)
    Fußball-Drama in Ägypten: Rache für Revolution?

    Kairo (dpa/sal) – Wie konnte es zu dem Fußball-Drama von Port Said kommen? Nach den schweren Ausschreitungen mit mindestens 71 Toten und 1.000 Verletzten wird nun nach den Gründen gesucht. In sozialen Netzwerken diskutieren Ägypter, ob den jungen Fans des Kairoer Traditionsclubs Al-Ahli wegen ihrer wichtigen Rolle beim Sturz Mubaraks ein Denkzettel verpasst werden sollte.

    Die Ahli-Ultras waren eine Speerspitze der Revolution. Sie stellten sich Polizei und Schlägerbanden entgegen. Frauen berichteten auf Twitter, wie Ultras sie vor Schergen des alten Regimes geschützt hätten.

    Die Ahli-Jugend geht auch heute noch für ihre Revolution auf die Straße. Bis Samstag gedenken jetzt die fußballverrückten Ägypter während einer dreitägigen nationalen Trauer des schwärzesten Tages ihres Lieblingssports.

    Am 25. Januar 2011 mischten sich Ahli-Fans unter die Revolutionäre am Kairoer Tahrir-Platz. „Wir wollten keine Märtyrer sein, aber Ultras sind nun einmal anders als viele der anderen jungen wütenden Ägypter: Wir haben keine Angst vor der Polizei, denn schwingende Knüppel und Tränengas sind für uns nichts Neues. Es war ganz selbstverständlich, dass wir ganz vorne mit dabei waren, als die Menschen auf der Straße kämpften“, erinnerte sich der Ultra-Sprecher von Al-Ahli, Amr Fahmy, im vergangenen Frühjahr in einem Interview mit dem Fußballmagazin „11 Freunde“.

    Al-Ahli-Fans galten als die Speerspitze der Revolution. Der ägyptische Sportkritiker Hassan Mistikawi beschrieb ihre Rolle in der Zeitung „Al Ahram weekly“ als signifikant. Sie seien gut organisiert gewesen und hätten die anderen Demonstranten beschützt.

    Nach dem tödlichen Ende eines Fußballspiels mit massiven Übergriffen auf Al-Ahli in Port Said erinnern sich viele bei Facebook und Twitter an die Auftritte der Ultras bei den Massenprotesten, die zum Sturz von Präsident Husni Mubarak führten. „Es geht nicht um Fußball, es ist die Rache eines Systems“, kommentierte etwa „omarkamel“ die Jagd auf Ahli-Fans am Mittwoch beim Auswärtsspiel in Port Said.

    Auch an den vielen Protesten gegen den regierenden Militärrat im vergangenen Jahr beteiligten sich Ultras regelmäßig. „Die Generäle haben sich jetzt gerächt“, twitterten viele.

    Al-Ahli gehört gemeinsam mit dem Erzfeind Al-Samalek aus Kairo zu den bekanntesten Fußballteams Ägyptens. Mit 35 Meistertiteln und 33 Pokalsiegen ist er auch der erfolgreichste. Gegründet wurde der Klub 1907 als Treffpunkt für Studenten im Kampf gegen die Kolonialisierung des Landes. Seine Spieler tragen die Farben Rot und Weiß.

    Ultras von Al-Ahli und Al-Samalek lieferten sich in der Vergangenheit schwere Schlägereien. Doch inzwischen sind die Fans der beiden Teams offenbar zusammengerückt. So hatten nach Berichten lokaler Medien die auch „Weiße Ritter“ genannten Samalek-Ultras erst vor wenigen Tagen auf ihrer Facebook-Seite für ein Ende des „Blutvergießens“ plädiert. Die Ultras von Al-Ahli antworteten mit einem Smiley. In der Nacht zum Donnerstag wurden die Al-Ahli-Fans von Al-Samalik-Anhängern zum Kairoer Hauptbahnhof begleitet, wo sie die Heimkehrer aus Port Said gemeinsam abholten.

    • Für mich als großen Fußballfan ist es eine absolute Katastrophe was dort passiert ist.

      Aber wir wissen ja alle wo das Geld für den Militärrat und seine Schergen herkommt, seufz…

          • Mein Prinz, ich habe mir schon gestern Abend gedacht, denn der Sportmoderator war auch sehr schockiert und sagte auch nicht schon wieder, es ist unmöglich! Die Frustration der jungen Menschen, die für was anderes diese Revolution angezettelt haben, ist so groß, dass sie sogar dafür ihre alte kriege begraben und sich gegen einen mächtigeren Feind verbünden! Und das auch mit Hilfe von Facebook und allein auch ein Smiley! Hamed Abdel-Samad erzählte schon in seinem Buch Der Untergang der arabischen Welt, dass die Ägypter manchmal verrückte Sachen organisieren, um sich Gehör zu verschaffen, um gehört zu werden, und zu bekommen, was ihnen zusteht!

          • Danke Prinz, es war sehr informativ. Besonders hier hat mir sehr gut gefallen, eine Frage bei dem Interview und die Antwort darauf:

            Waren Sie auch dabei, als eine Bürgerwehr die Plünderung des Ägyptischen Museums verhinderte?

            Amr Fahmy: Ja, ein paar von uns waren dort. Aber den Widerstand hatten wir nicht exklusiv. Jeder Ägypter kennt die Bedeutung des Museums, und wir alle wollten verhindern, dass ein paar Idioten das Chaos nutzen und die ägyptische Vergangenheit zerstören. Das haben wir geschafft, obwohl sich in der ganzen Zeit nicht ein Polizist hat blicken lassen.

  8. Was ist los in diesem Land! Es erinnert mich an die Zeit nach der Machtergreifung der Mullahs und ihre systematischen Säuberungen, Tilgungen und Massenverhaftungen während der Proteste der Iraner und die Zeit danach! Seitdem hat dieses Land nie Ruhe gesehen. Müssen sie nun das erleben, was wir vor 33 Jahren bis heute erleben? Oder es gibt Ägypter unter ihnen, die sich unsere Erfahrungen zunutze machen, und sehr wachsam sind, daher kommt es auch zu solchen Ausschreitungen, weil sie eben das Land nicht in Händen der Islamisten sehen wollen! Auch wenn die Islamisten nicht an die Macht kommen, hat man schon für die Destabilisierung gesorgt und wenn die säkulare Kräfte die Oberhand haben werden, könnte es gefährlicher werden, wie in Algerien, wo die Islamisten eine Bürgerkrieg angezettelt haben:

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